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Emanzipation als Chance und Aufgabe für Geflüchtete

Landesweites Projekt mit geschlechterspezifischen Gruppen für Geflüchtete zieht positive Zwischenbilanz

Rania Makhoul Saad (links) hat gute Erfahrungen gemacht im Bestärkungsprogramm, das Beate Schäffer (rechts) und ihre Kollegin Bi
Rania Makhoul Saad (links) hat gute Erfahrungen gemacht im Bestärkungsprogramm, das Beate Schäffer (rechts) und ihre Kollegin Birgit Ehinger von Welcome in Reutlingen und Pro Juventa koordinieren. Foto: Gabriele Küster
Rania Makhoul Saad (links) hat gute Erfahrungen gemacht im Bestärkungsprogramm, das Beate Schäffer (rechts) und ihre Kollegin Birgit Ehinger von Welcome in Reutlingen und Pro Juventa koordinieren.
Foto: Gabriele Küster

REUTLINGEN. Geflüchtete Menschen stellt das Leben in Deutschland vor viele Herausforderungen. Eine schleicht sich nach und nach in den Alltag der Familien ein: Die Frage, wie umgehen mit den unterschiedlichen Geschlechterrollen im Herkunftsland und in der neuen Heimat. Wenn Frauen erkennen, dass sie sich aus traditionellen Mustern befreien können, kann das zu Konflikten mit dem Partner führen. In Reutlingen und 14 weiteren Städten hilft ein Projekt der Werkstatt Parität in Kooperation mit dem Paritätischen Baden-Württemberg geflüchteten Frauen und Mädchen, belastende Erfahrungen zu verarbeiten, und Wissen und Kraft zu schöpfen für ihr Ankommen in der deutschen Gesellschaft. Begleitend dazu gibt es gesonderte Gruppenangebote für Männer und Jungen.

»Geflüchtete Frauen brauchen unsere besondere Aufmerksamkeit«, betonte gestern in Reutlingen Ursel Wolfgramm, Vorstandsvorsitzende des Paritätischen. Denn: »Sie fliehen vor Verfolgung, Folter und Krieg. Sie fliehen vor Hunger, Perspektivlosigkeit und häufig auch vor patriarchalen Strukturen.« Für das landesweite Projekt zog sie eine positive Zwischenbilanz.

Typische Szene: In einem Stuhlkreis sitzen Frauen aus Syrien, Afghanistan, dem Iran, aus Nigeria und Kenia bei der gemeinnützigen Jugendhilfegesellschaft Pro Juventa in Reutlingen zusammen. Beate Schäffer und Birgit Ehinger von Welcome in Reutlingen (WIR) laden die Frauen dort wie immer dazu ein, sich erst mal locker zu machen – durch Bewegung zu Musik. Drei »Taka-Niroo«-Kurse (afrikanisch: Kraft) haben die Projektkoordinatorinnen seit Oktober 2018 angeboten für bislang 23 Frauen. Sie beinhalten ganz praktische Informationen des Jobcenters über Chancen in der Arbeitswelt, der Beratungsstelle von Pro Familia über Gesundheitsvorsorge und Familienplanung und der Diakonie über die Rechte von Frauen bei Gewalterfahrungen, aber auch Methoden zum Stressabbau und Gespräche über die weiblichen und männlichen Rollen in Familie und Gesellschaft.

Rechte und Möglichkeiten

Die Erfahrungen der Teilnehmerinnen sind offenbar durchweg positiv: Sie hätten viel gelernt, berichten sie einmütig, und wüssten jetzt besser über ihre Rechte und Möglichkeiten Bescheid. »Ich weiß jetzt, wo ich Hilfe bekomme«, sagt Mira aus Afrika. »Ich habe viel Kraft getankt«, bekräftigt die 44-jährige Rania Makhoul Saad, die aus Syrien stammt und dort Haus, Job, Auto, Geld, Freunde und sogar die 18-jährige Tochter zurücklassen musste. 370 Frauen und Mädchen haben bislang in Baden-Württemberg an solchen Kursen teilgenommen.

Und außerdem 180 Männer und Jungen. Auch sie diskutieren in Gesprächskreisen über Geschlechterbilder – oft kontrovers. Manche, sagt Ursel Wolfgramm, sehen in der Gleichberechtigung der Geschlechter eine große Chance für ihre Frauen und Kinder. Andere seien skeptisch, fürchten sich vor dem Verlust von Autorität. Bei den Jungen habe man die Erfahrung gemacht, dass sie »sehr bestrebt sind, sich gegenüber Mädchen und Frauen angemessen zu verhalten«, und alles richtig zu machen in ihrer neuen Umgebung.

Finanziert wird das Projekt von der Baden-Württemberg Stiftung zunächst für drei Jahre. (GEA)