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Aktuell Gesellschaft

Das Reutlinger Online-Jugendhaus entsteht

Die Jugendeinrichtungen der Stadt weichen nach den Schließungen in virtuelle Räume aus

Svetlana Dieser und Lukas Bitzer bereiten eine interaktive Liveübertragung auf der Social-Media-Plattform Instagram vor.  FOTO:
Svetlana Dieser und Lukas Bitzer bereiten eine interaktive Liveübertragung auf der Social-Media-Plattform Instagram vor. FOTO: STADT
Svetlana Dieser und Lukas Bitzer bereiten eine interaktive Liveübertragung auf der Social-Media-Plattform Instagram vor. FOTO: STADT

REUTLINGEN. Schulschließungen, kein Stadtbummel, kein Fußballtraining oder Kino mehr – das Coronavirus hat den Alltag junger Menschen grundlegend verändert. Das spüren auch Jugendliche, die ihre Freizeit vor der Epidemie in einem der vier Reutlinger Jugendhäuser oder im Jugendcafé in der Innenstadt verbracht haben. Die Jugendfreizeiteinrichtungen der Stiftung Jugendwerk und die sechs Jugendtreffs unter Trägerschaft der Stadt bleiben bis zum Ende der Osterferien geschlossen. Das stellt Kinder, Jugendliche und Fachkräfte vor Herausforderungen, bietet aber auch Chancen. Denn eine Sache konnte das Coronavirus bisher nicht schließen: die digitale Welt.

Chats und Online-Kochen

Wichtig war die digitale Welt für junge Menschen schon vor dem Ausbruch von Covid-19. Durchschnittlich verbringen Menschen im Alter von zwölf bis 19 Jahren dreieinhalb Stunden pro Tag im Internet. Sicher ist, dass die Internetnutzungsdauer in den »Coronaferien« noch höher ausfällt. Junge Menschen eignen sich virtuelle Räume wie reale Räume an – indem sie die Kommunikations- und Austauschplattformen selbstverständlich nutzen und in ihren Alltag integrieren. Für Fachkräfte der offenen Jugendarbeit ist dies nichts Neues. Da liegt es nahe, dass die Jugendhäuser sich auf den gängigen Plattformen präsentieren und auf virtueller Ebene in Kontakt mit Jugendlichen treten. Hier können die Jugendhausteams die Jugendlichen über Social Media informieren und eine Anlaufstelle für ihre Fragen, Probleme und Anliegen sein.

Inzwischen erproben die Jugendhäuser auf den Social-Media-Kanälen ganz neue Formen der virtuellen Jugendarbeit: Das »Online-Jugendhaus« wird mit vielfältigen Angeboten gefüllt.

Das Jugendhaus Bastille setzt das Profil aus Gesundheit, Bewegung und gesunder Ernährung jetzt über Online-Kochanleitungen, virtuelle Spaziergänge im Live-Chat und Fitness-Videos um. Im Jugendhaus Orschel-Hagen wird die reale mit der virtuellen Welt verknüpft, indem Gesellschaftsspiele und Bücher online ausgeliehen werden, Jugendliche können via Live-Chat mitkochen und Fragen an das Team stellen. Im Hohbuch wird die Besucherschaft bei Quizfragen und Mitspielangeboten beteiligt. Im Jugendhaus Ariba sorgt eine gute Nachricht für einen fröhlichen Start in den Online-Jugendhaus-Betrieb, bevor die Jugendlichen dann über den Live-Chat die Möglichkeit haben, sich von den Ideen des Teams inspirieren zu lassen. Und auch das Jugendcafé steht mit den Reutlinger Jugendlichen über Messengerdienste und Online-Chats im Austausch.

Unkompliziert erreichbar

Auch die pädagogischen Fachkräfte für Kontakt- und Beratungsangebote sind online. Wenn es Rede- oder Unterstützungsbedarf zum Beispiel bei den Schulaufgaben gibt, sind die Sozialpädagogen fast genauso unkompliziert zu erreichen wie sonst während der Öffnungszeiten. Die Einrichtungen haben feste Kontakt- und Sprechzeiten eingerichtet, damit Jugendliche über Chat und Videotelefonie schnell und einfach mit einem vertrauten Erwachsenen sprechen können.

All dies wird das Vieraugengespräch in den geschützten Räumen des Jugendhauses nicht ersetzen können. Trotzdem ist es wichtig, das Angebot der Jugendhäuser auch in der Coronakrise in Anspruch nehmen zu können. Gerade jetzt, wenn die Zimmerdecke immer näher kommt, kann der virtuelle Austausch Ventil sein und Möglichkeit geben, einfach mal »Dampf abzulassen«. Auch weil die Ausnahmesituation in den Familien zu erhöhtem Stress und Konfliktpotenzial führen kann.

Der Spagat zwischen Homeoffice, Unterstützung bei den Schulaufgaben und dem Kümmern um ältere Verwandte sorgt für zusätzliche Belastung bei den Eltern. Das spüren die Kinder. Dann ist es umso wichtiger, einen erwachsenen Außenstehenden zu haben, der zuhört, Verständnis zeigt, erklären kann, was gerade auf der Welt vor sich geht und warum es besser ist, zu Hause zu bleiben, als sich mit Freunden auf dem Bolzplatz zu treffen.

Die Fachkräfte der Reutlinger Jugendeinrichtungen wollen diesen Herausforderungen gut und sicher begegnen und innovative Formen der sozialpädagogischen Arbeit entwickeln. Dazu gehört es, Prinzipien wie Freiwilligkeit, Offenheit oder Geschlechtergerechtigkeit auf den virtuellen Raum zu übertragen. Dabei geht es auch darum, Medieninhalte kritisch zu hinterfragen, um zum Beispiel die Verbreitung und Wirkung von »Fake News« abzufedern – und Mediengeräte zielgerichtet einzusetzen. Die Jugendeinrichtungen der Stadt Reutlingen sind auf dem besten Weg, sich die notwendigen Medienkompetenzen anzueignen. (GEA)