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Arme Kinder haben auch in Reutlingen nichts zu feiern

Sogar im eher reichen Reutlingen gibt es nicht wenige Mütter und Väter, die jeden Cent zweimal umdrehen müssen. In der Nikolaikirche, auch als Citykirche bekannt, gab es Einblicke in ihre schwierige Situation.

Kinderarmut
Mehr als jeder fünfte Heranwachsende ist in Deutschland von Armut betroffen. Foto: Jens Kalaene
Mehr als jeder fünfte Heranwachsende ist in Deutschland von Armut betroffen.
Foto: Jens Kalaene

REUTLINGEN. Die Würde des Menschen ist laut Grundgesetz unantastbar, aber Armut gefährdet auch die Würde von Kindern. Davon berichten bei einem Gesprächskreis in der Citykirche Menschen, die sich damit auskennen. Währenddessen werden vor der Tür Weihnachtsgeschenke eingekauft – worauf arme Familien verzichten müssen, für deren Kinder es nichts zu feiern gibt.

Die Kälte des unbeheizten Kirchenraumes passt zu den Ausführungen von Stephanie Gohl, stellvertretende Leiterin des Diakonieverbands Reutlingen. Gohl zeichnet Bilder von Armut: karges Essen vom Discounter – ohne teures Gemüse, verschlissene Kleidung, kein Geld für eine Brille und vieles mehr. »Familien, die nicht über den Weihnachtsmarkt laufen, weil sie sich nichts kaufen können«, so die Armutsexpertin. Durch Inflation und die Explosion der Energiepreise seien immer mehr Reutlinger betroffen. Ähnliches erzählt auch Bettina Noack vom  Mütter- und Nachbarschaftszentrum.

»Kinder, die kein warmes Essen bekommen«

»Jedes vierte Kind ist von Armut betroffen«, betont Noack. Nicht irgendwo in der Dritten Welt, sondern hier bei uns im reichen Deutschland. Kein Geld bedeute keine Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, keine Chancengleichheit bei der Bildung und vieles mehr. Die Folgen beschreibt Noack als vielfältig bis hin zu gesundheitlichen Störungen. Viele versuchen zu helfen, auch die Stadt Reutlingen tut das im Rahmen ihrer Möglichkeiten, von denen Sozialamtsleiter Joachim Haas berichtet. Ob für Bildung, Kultur oder Freizeit – es gibt Geld und Gutscheine von der Stadt für bedürftige Menschen. Abzuholen im Bürgeramt, absichtlich nicht im Sozialamt. Haas stellt erschreckt fest, auch in Reutlingen »gibt es tatsächlich Kinder, die kein warmes Essen bekommen«. Worauf die städtischen Kindergärten mit entsprechenden Mittagstischen reagiert haben. Die Stadtverwaltung achte sehr darauf, bei der Kinderbetreuung für alle Reutlinger die gleichen Angebote zu machen, »denn wir müssen Kindern Chancen geben«. Auch deswegen, weil Armut ganz schnell kommen kann.

WO SIE HELFEN KÖNNEN

Viele Organisationen helfen armen Kindern und ihren Eltern. Zum Beispiel der Kinderschutzbund, der sich unter anderem für eine Verbesserung der Lebensbedingungen der Kinder und Familien einsetzt. Das Mütter & Nachbarschaftszentrum Reutlingen bietet zahlreiche Formen der Kinderbetreuung an, und ist ebenfalls für Unterstützung dankbar. Der Diakonieverband Reutlingen "sucht den bedrängten Menschen in der Nähe und in der Ferne, um ihm zu helfen" mit einem breiten Angebot. Im Internet gibt es viele Infos zu Hilfsmöglichkeiten. (zen) www.kinderschutzbund- reutlingen.eu www.muetterzentrum-reutlingen.de www.diakonie-reutlingen.de

»Es gibt verzerrte Bilder über die, die in Armut leben«, betont Citykirchen-Pfarrerin Cornelia Eberle gemeinsam mit den anderen Experten der Runde. Ein leerer Geldbeutel sei keine Folge von Faulheit, sondern oft die Konsequenz von Schicksalsschlägen oder Lebensumständen. Möglichkeiten zu helfen gebe es viele, so ein Fazit des Abends. (GEA)