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Ausstellung in der Pausa zeigt die Vielfalt der Textilindustrie in Mössingen

Museumsleiterin Franziska Blum mit einer alten Kollektion der Öschinger Berufskleidungsfabrik Merk.  FOTO: MEYER
Museumsleiterin Franziska Blum mit einer alten Kollektion der Öschinger Berufskleidungsfabrik Merk. FOTO: MEYER
Museumsleiterin Franziska Blum mit einer alten Kollektion der Öschinger Berufskleidungsfabrik Merk. FOTO: MEYER

MÖSSINGEN/REUTLINGEN. Wer weiß, wie die Textilgeschichte verlaufen wäre, wenn der Plan geklappt hätte, im Albvorland eine Seidenraupenzucht zu etablieren. Doch der Mössinger Theodor Mögling alias Seidenhannes war Mitte des 19. Jahrhundert damit gescheitert, Maulbeerbäume als Blattnahrung für die Tiere im großen Stil anzupflanzen, um Kokons für Rohseide zu gewinnen. Auch am benachbarten Hechinger Martinsberg kam die hohenzollerische Zuchtanlage für Seidenraupen mit dem ungünstigen Klima nicht zurecht.

Die spannenden Anfänge der Textilindustrie in Mössingen und deren Erfolgsgeschichte bis hin zu ihrem weitgehenden Niedergang beleuchtet eine neue Dauerschau des Stadtmuseums in der Pausa-Tonnenhalle. Eingebettet in eine Wanderausstellung, an der fünf weitere Textilmuseen der Region beteiligt sind. Sie geht der Frage des »Wertes des Textilen« nach. »Dazu gehört neben dem historischen Zugang auch ein Blick auf die textile Kette von der Faser bis zum Verbraucher«, so die Museumsleiterin Franziska Blum.

»Weit über eine Millionen Tonnen Altkleider im Jahr«

Die Rahmen-Schau erläutert die Vielfalt der baden-württembergischen Textilindustrie. Von der Fadenherstellung zum Weben, Wirken und Stricken einer textilen Fläche, über die Veredlung und Konfektion, den Handel sowie der Pflege bis hin zum Textil-Müll. »Weit über eine Millionen Tonnen Altkleider fallen jährlich an. Dabei gehen große Mengen an wertvollen Ressourcen verloren«, gibt Blum zu bedenken. Es wird billig eingekauft und gedankenlos entsorgt. Kleidung habe in weiten Teilen unserer Welt Wert und Würde verloren. »Bewusst, regional und weniger einkaufen ist ein Schritt in Richtung Nachhaltigkeit«, so Blum.

Mit historischen Objekten aus den Sammlungen der einzelnen Museen werden jeweils vor Ort die jeweiligen Traditionen innerhalb der württembergischen Textilindustrie veranschaulicht. Für die Präsentation im Pausa-Quartier hat die örtliche Ausstellungsmacherin Blum zahlreiche Exponate aus dem Fundus der Textilfirmen im heutigen Stadtkreis Mössingen zusammengetragen. Die meisten als Leihgaben oder Geschenke aus der Bevölkerung.

Die Ausstellung im weitläufigen Obergeschoss zeigt eine Schurgruppe aus Belsen, die in den 1920er Jahren Schafwolle auf der Alb gewonnen hat. Nach dem Anschluss an das Eisenbahnnetz 1869 siedelte an der Berggasse die Seidenspinnerei Amann & Söhne an, die 1920 von der Trikotfabrik C.C. Merz aus Tailfingen übernommen wurde. Einer der ersten örtlichen Textilbetriebe war die 1871 gegründete Mechanische Buntweberei Hummel, die nach dem Ersten Weltkrieg von den Gebrüdern Löwenstein gekauft wurde, die den Betrieb in Pausa umbenannten. Auch die Frottierweberei Mehl, die 1986 ihre Produktion einstellte, wird in der Schau gewürdigt.

Noch existent ist neben der Bandweberei Schanz auch die Öschinger Textilveredlung Keller in der ehemaligen Schöller"schen Textilfabrik, wo bis 1982 die bekannten Nicky-Waren des Labels "Look" produziert wurden. Beleuchtet wird die Geschichte der 1946 von Wilhelm Merk gegründeten und 2007 geschlossenen Hemden- und Bekleidungsfabrik mit ihren vielen Nähfilialen in der Region. Auch in Belsen war bis in die 1980er Jahren ein namhaftes Unternehmen angesiedelt: Die Trikotwarenfabrik Fausel & Wagner. In getrennten Werken wurde Sportbekleidung hergestellt.

Anschaulich ins Szene gesetzt sind Produkte der Bundweberei Gebr. Burkhardt, die bis 1964 in der Ofterdinger Straße produzierte. Ebenso die Talheimer Trikotfabrik Dölker, die Lieferant von Rohware für Konfektionsbetrieb war.

In der Wanderausstellung mit dabei ist das Webermuseum Sindelfingen, wo die Schau bereits seit dem 11. November zu sehen ist. Das Maschenmuseum Albstadt, das Esslinger Stadtmuseum im Gelben Haus und das Heubacher Miedermuseum steigen 2013 ein. Den Abschluss macht das Reutlinger Heimatmuseum. (mey)

 

MIT UMFANGREICHEM BEGLEITPROGRAMM

Von Garn, Wolle und Nachhaltigkeit

Die Schau in Mössingen dauert bis 30. Juli 2023 und umfasst ein umfangreiches Begleitprogramm. Zunächst: Weben – vom Garn zur textilen Fläche (8. Januar, 15 Uhr) und Von der Wolle zum Faden (22. Januar, 15 Uhr). Kai Nebel von der Fakultät Textil an der Fachhochschule Reutlingen hält einen Vortrag über die Nachhaltigkeit in der Textilen Kette (15. März, 15 Uhr). Die Ausstellung ist mittwochs und sonntags von 14 und 18 Uhr geöffnet. Ausgenommen zwischen dem 24.Dezember bis 2. Januar. Der Eintritt ist frei. Führungen gibt es an Sonntagen (14 Uhr) zunächst am 11. Dezember., 15. Januar und 22. Februar; mittwochs (16.30 Uhr) am 18. Januar und 8. Februar. www.moessingen.de