SONNENBÜHL/ENGSTINGEN. Klüfte und Höhlensystem sind im Karstgebiet der Schwäbischen Alb keine Ausnahmeerscheinung. Allein hier dürfte es circa 5.000 Dolinen geben oder gegeben haben, heißt es bei der Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg, und noch viele Karstphänomene mehr.
Eine Geschichte wie aus einem Abenteuerroman: Der Erpfinger Lehrer Karl-Wilhelm Fauth ist auf den Höhen über seinem Heimatort unterwegs. Sein Interesse gilt Kräutern, die er sammelt. Da entgleitet ihm seine Schnupftabakdose. Sie fällt nicht nur auf den Boden, sondern plumpst viel tiefer durch eine Felsspalte in ein unterirdisches Reich. Der karstige Boden hat sich bis an die Erdoberfläche aufgetan. Herausziehen kann Fauth die Dose nicht. Der Spalt wird vergrößert, und am nächsten Tag steigt Fauth mit Freunden hinab, jetzt wohl weniger auf der Suche nach der Tabakdose, sondern aus Neugier. Forschergeist treibt ihn an. Am 30. Mai 1834 ist das so geschehen. Statt auf den verlorenen Gegenstand stößt Fauth auf einen Schutthaufen unter dem Einstieg, der später den Namen »Fauth-Loch« tragen wird, findet Schmuck, zerbrochene Gefäße und Überreste von 50 Menschenskeletten, vermutlich Pestleichen aus der Zeit des Dreißigjährigen Kriegs. Und was sich vor ihm noch auftut, ist eine riesige Halle: die Karlshöhle.
115 Jahre später, im Sommer 1949 beobachtet Karl Bez (1917–2008) bei Höhlenführungen, dass am Ende der Karlshöhle Fledermäuse spurlos verschwinden. Monate später, im Winter, klettert er am Ende der Höhle an einer Wand empor, zwängt er sich mit Freunden unter einer Sinterbrücke durch und erreicht schließlich eine mächtige Halle, in der Bärenknochen am Höhlenboden liegen. Das ist die Entdeckerstunde der Bärenhöhle, wie das gesamte unterirdische Reich bei Erpfingen seither heißt.
Die zweite Höhle auf Sonnenbühler Gebiet ist die Nebelhöhle. Die alte Nebelhöhle, die auf Lichtensteiner Gemarkung liegt, wird 1486 erstmals erwähnt. Bekannt war schon immer das »Nebelloch«, ein Loch, aus dem die immer neun Grad warme Luft aus der Höhle aufsteigt, die in der Winterkälte oben als Dampf zu sehen ist. 1920 entdecken Willi Kopp und Karl Rau die Fortsetzung der Höhle, in die ein Eingang auf Genkinger Gebiet geschlagen wird.
2018 war plötzlich ein Loch am Gemeindeverbindungssträßchen zwischen Lonsingen und Bleichstetten aufgetaucht beziehungsweise es wurde sichtbar. Forscher des Höhlenforschungsvereins Pfullingen haben zur Sicherung des Zugangs einen Stahlschacht eingesetzt. Der Pfullinger Höhlenforschungsverein war auch bei der Untersuchung der Felsspalten dabei, die sich bei der Erschließung des Dottinger Neubaugebiets aufgetan haben.Dolinen kein EinzelfallEin bekanntes Karstphänomen ist die Doline Weidenwang am Klimaweg in Sonnenbühl. Etwa 70 Meter in die Tiefe reicht die Höhle, die vor langer Zeit eingebrochen ist und die Doline im Waldboden hinterließ.
2018 hatte ein Landwirt aus Großengstingen ein Loch auf seinem Acker entdeckt, das wenige Wochen zuvor noch nicht da war. Es reichte sechs Meter tief hinab. Es wurde »Steinweg-Erdfall« genannt. Der Einstieg wurde mit Betonringen und Deckel gesichert.
Erste Untersuchungen im Jahr 2005 ergaben, dass die Freibühlhalle auf einer Doline errichtet worden ist. 2004 vermeldete der GEA: »Gleich drei neue Dolinen sind innerhalb kurzer Zeit auf der Gemeindemarkung Sonnenbühls entstanden, weil unterirdische Hohlräume eingebrochen sind – zwei davon in unmittelbarer Nähe voneinander im Genkinger Neubaugebiet Angelwiesen.« Und: »Auch in Undingen ist die Erde ein paar Meter tief eingebrochen – auf einer Wiese, wo ein Landwirt eben mit dem Traktor unterwegs war. Der soll mit dem Vorderrad sogar in die Doline abgesackt sein.«
Bei der Erschließung des Neubaugebiets Seite II in Mägerkingen tat sich während Kanalarbeiten eine Karsthöhle auf. Ein Geologe untersuchte die Doline. Danach stießen die Tief- und Straßenbauer auf eine weitere Höhle. (GEA)