GOMADINGEN. So viel Post hat Markus Mörike noch vor keinem einzigen Treffen der evangelischen Landessynode von Württemberg bekommen. »Das war eine Flut von Mails und Briefen«, berichtet Mörike, Leiter des Samariterstifts Grafeneck und Synodaler der Vereinigung »Kirche für Alle«, der den Kirchenbezirk Bad Urach-Münsingen im württembergischen Kirchenparlament vertritt. Ein Teil der Schreiber hat die Synodalen gebeten, sich für eine Trauung von gleichgeschlechtlichen Paaren einzusetzen – und ein Teil hat sie beschworen, genau dies auf gar keinen Fall zu tun.
Wie sehr dieses Thema bewegt und polarisiert, hat Mörike – in der Landessynode Vorsitzender im Ausschuss für Diakonie – schon vor einigen Jahren im Vorfeld der Kirchenwahlen gemerkt. Die Frage, wie dieser oder jener Synodal-Kandidat zur kirchlichen Trauung Homosexueller steht, fiel obligatorisch bei jedem Podiumsgespräch.
Dass sich die Landessynode mit einer Entscheidung für die Trauung von gleichgeschlechtlichen Paaren schwertun wird, stand damit schon im Vorfeld fest. Und der von der Vereinigung »Kirche für Alle« eingebrachte Vorschlag, die kirchliche Trauung völlig gleichwertig für alle Paare zuzulassen, hatte bei der Herbstsynode keine Chance. »Das wurde mit 36 zu 61 Stimmen deutlich abgelehnt«, berichtet Markus Mörike.
Der Kompromissvorschlag, der dann zur Abstimmung kam und hinter dem auch Oberkirchenrat und Landesbischof standen, war manchem liberalen Kirchen-Parlamentarier »fast schon zu sehr verwässert«, wie Mörike formuliert. Er sah vor, dass Kirchengemeinden, die das ausdrücklich wollen, die Gleichgeschlechtlichen-Trauung anbieten dürfen, vorausgesetzt, eine Drei-Viertel-Mehrheit des Kirchengemeinderats stimmt dem zu und der Pfarrer unterstützt es. Dieser Kompromissvorschlag hätte in der Landessynode eine Zwei-Drittel-Mehrheit gebraucht – und fiel ganz knapp durch. »Zwei Stimmen haben gefehlt.«
»Das ist Ausgrenzung und Diskriminierung«
Mörike, der sich als Vorsitzender des Diakonie-Ausschusses in der Herbstsynode zum Thema auch zu Wort gemeldet hatte, macht dies fassungslos: »Das ist Ausgrenzung und Diskriminierung.« Im Aktionsplan Inklusion habe sich die Landeskirche auf die Fahnen geschrieben, sich für die Teilhabe ganz unterschiedlicher Menschen in allen Bereichen gesellschaftlichen Zusammenlebens einzusetzen. Da könne nicht Menschen, die sich für ihre Ehe den Zuspruch der Kirche und den Segen in einem festlichen Gottesdienst wünschen, die Tür vor der Nase zugeschlagen werden, weil sich die Gegner der Gleichgeschlechtlichen-Trauung auf die Bibel berufen.
Gerade das Menschenbild der Diakonie widerspricht für Mörike dieser Haltung. Es sei »ein zutiefst christlicher Anspruch, dass Menschen sich so annehmen, wie Gott sie geschaffen hat, in all ihrer Unterschiedlichkeit und Besonderheit.« Da könne nicht bei einem bestimmten Merkmal, das ebenfalls Teil menschlicher Persönlichkeit ist, die Grenze gezogen werden: bei der Homosexualität.
»So kann das nicht bleiben.« Für Markus Mörike ist klar, dass das Thema erneut auf den Tisch kommen muss – sonst werde der Konflikt nur nach unten auf die Kirchengemeinden verlagert: »Das schafft Streit vor Ort.« Der Synodale betont, dass die württembergische Landeskirche in Deutschland inzwischen die einzige ist, die eine Trauung schwuler oder lesbischer Paare nicht zulässt.
Die Antwort mancher Kirchengemeinde vor allem im städtischen Raum ist, sich als »Regenbogen-Gemeinde« zu positionieren und entgegen der Haltung der Landeskirche solche Trauungen schon jetzt zuzulassen – ein Schritt, der laut Mörike stillschweigend geduldet wird.
Dass Menschen in den Kirchengemeinden vor Ort oder in der Landeskirche nicht gegen ihr Gewissen handeln wollen, das sie die Homo-Trauungen ablehnen lässt – das könne er akzeptieren, sagt Mörike. Nicht aber, dass diese Entscheidung dann für alle Kirchenmitglieder gelten soll, auch wenn deren Gewissen zu einer anderen Haltung rät: Freiheit in Vielfalt. Sein Ziel: gemeinsam mit anderen Synodalen noch in dieser Legislaturperiode einen Beschluss zu erreichen. (GEA)