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Ungesteuerte Nachverdichtung in Pfullingen

Investoren holen das Maximum aus Flächen heraus. Die Stadt Pfullingen setzt auf Konzeptvergaben.

Hier stand früher eine einsame Villa: Jetzt entstehen zwischen Marktstraße und Liststraße mehrere Gebäude mit insgesamt 48 Wohnu
Hier stand früher eine einsame Villa: Jetzt entstehen zwischen Marktstraße und Liststraße mehrere Gebäude mit insgesamt 48 Wohnungen. FOTOS: SCHÖBEL
Hier stand früher eine einsame Villa: Jetzt entstehen zwischen Marktstraße und Liststraße mehrere Gebäude mit insgesamt 48 Wohnungen. FOTOS: SCHÖBEL

PFULLINGEN. Neue Reihenhäuser, viele Mehrgeschossbauten und auch das eine oder andere Einfamilienhaus: In Pfullingen, so macht es den Eindruck, wird an allen Ecken und Enden gebaut. Auftraggeber sind in erster Linie größere Bauträger oder Investoren. Sie schaffen zahlreiche Wohnungen in der Stadt, die allerdings zum größten Teil eher teuer sind. »Normalverdiener« können sie sich oft nicht leisten, es sei denn, sie sind bereit, den größeren Teil ihres Einkommens für Miete oder für die Ratenzahlung nach dem Kauf auszugeben.

Meinrad Riedlinger, Leiter des Fachbereichs 4 im Rathaus, bestätigt, dass Pfullingen für Stadtplaner gerade »ein interessantes Pflaster« ist. Viel Neues entsteht, derzeit vor allem innerhalb der Stadt. Tatsächlich sind es aber nicht die klassischen, von je her unbebauten Lücken, die sich jetzt schließen. »Was gerade passiert, ist vor allem ungesteuerte Nachverdichtung«, sagt Riedlinger. Diese Grundstücke waren auch vorher schon bebaut, die Häuser wurden abgerissen und werden jetzt durch größere, in der Regel mehrgeschossige Gebäude ersetzt.

Vorzeigebeispiel: Im Wohnungsbauprojekt Traubenstraße der Pfullinger Baugenossenschaft sind auch Sozialwohnungen entstanden.
Vorzeigebeispiel: Im Wohnungsbauprojekt Traubenstraße der Pfullinger Baugenossenschaft sind auch Sozialwohnungen entstanden. Foto: Petra Schöbel
Vorzeigebeispiel: Im Wohnungsbauprojekt Traubenstraße der Pfullinger Baugenossenschaft sind auch Sozialwohnungen entstanden.
Foto: Petra Schöbel

Zwar sind in den zurückliegenden Jahren auch viele Lücken in den Wohngebieten zugebaut worden. Doch dieses Potenzial scheint zunächst einmal ausgeschöpft. »Wir haben vor zehn Jahren eine kommunale Baulandbörse installiert«, berichtet Riedlinger. Alle Eigentümer von unbebauten Grundstücken wurden angeschrieben und gefragt, ob ihre Fläche in der Online-Börse veröffentlicht werden sollte. Die Stadt bot an, sie dann an Bauwillige zu vermitteln. »Damals kam etwa die Hälfte der rund 300 unbebauten Grundstücke in die Börse«, führt der leitende Stadtplaner aus.

Meinrad Riedlinger ist Leiter des Fachbereichs 4 im Rathaus und der   Pfullinger Stadtplanung.
Meinrad Riedlinger ist Leiter des Fachbereichs 4 im Rathaus und der Pfullinger Stadtplanung. Foto: Petra Schöbel
Meinrad Riedlinger ist Leiter des Fachbereichs 4 im Rathaus und der Pfullinger Stadtplanung.
Foto: Petra Schöbel

Von diesen 150 Flächen sind innerhalb einer Dekade 70 vermittelt und mittlerweile auch bebaut worden. »Bei allen anderen kam der Handel nicht zustande.« Denn: »Die Pfullinger sind eigen, wenn es um den Verkauf ihres Eigentums geht«, betont Riedlinger. Weshalb die jetzt noch vorhandenen Baulücken vermutlich noch lange als solche erhalten bleiben werden.

Zugriff auf unbebaute Flächen hätte die Stadt aber auch über das gesetzlich eingeräumte Vorkaufsrecht. Doch der Eigentümer kann das abwenden, indem er eine Bauverpflichtung eingeht, das heißt, er muss zusagen, das Grundstück innerhalb von zwei bis drei Jahren zu bebauen. »Wir haben das jetzt bereits fünf Mal so praktiziert«, berichtet der Fachbereichsleiter und ist gespannt, ob diese Versprechen auch tatsächlich eingehalten werden. »Grundsätzlich bräuchte eine Kommune mehr Instrumente, um so eine Verpflichtung durchsetzen zu können«, meint er.

Nachverdichtet wird aktuell auch ein Grundstück im Gebiet Strohweiler. Die Wohnungen im Hochpreis-Segment sind alle verkauft.
Nachverdichtet wird aktuell auch ein Grundstück im Gebiet Strohweiler. Die Wohnungen im Hochpreis-Segment sind alle verkauft. Foto: Petra Schöbel
Nachverdichtet wird aktuell auch ein Grundstück im Gebiet Strohweiler. Die Wohnungen im Hochpreis-Segment sind alle verkauft.
Foto: Petra Schöbel

Nachverdichtet wird jetzt vor allem auf Flächen, auf denen zuvor ein Einfamilienhaus inmitten eines Gartens stand. Nicht selten seien es Erbengemeinschaften, die ihr Grundstück bestmöglich vermarkten wollten und dabei zum Teil gezielt Investoren oder Immobilienträger ansprächen. »Die schauen dann, was der Bebauungsplan zulässt, und nutzen die Fläche bis zum letzten Quadratmeter aus«, sagt Riedlinger, »da kann auch der Gemeinderat nichts gegen machen.«

Da der Bedarf an Wohnraum ungebrochen hoch ist, können die Wohnungen zu Höchstpreisen verkauft oder vermietet werden. »Ein Investor kann zurzeit für den Grund und Boden sehr viel bezahlen«, erklärt der Stadtplaner, »deshalb sind die Grundstückspreise auch so durch die Decke gegangen.«

Gegen das Bauprojekt auf einem Hang-Zwickelgrundstück an der Rötsteige hatte es zunächst Proteste der Anwohner gegeben.
Gegen das Bauprojekt auf einem Hang-Zwickelgrundstück an der Rötsteige hatte es zunächst Proteste der Anwohner gegeben. Foto: Petra Schöbel
Gegen das Bauprojekt auf einem Hang-Zwickelgrundstück an der Rötsteige hatte es zunächst Proteste der Anwohner gegeben.
Foto: Petra Schöbel

Durch diese mehr oder minder ungesteuerte Nachverdichtung entstehe zwar viel Wohnraum mit stets ähnlichen Grundrissen, »aber nichts Individuelles mehr«, sagt Riedlinger und stellt fest: »Es gibt in Pfullingen ein Überangebot an Geschosswohnungsbau.« Das Nachsehen haben dabei zum Beispiel Familien oder auch Alleinstehende, deren Geldbeutel nicht so prall gefüllt ist. Sie müssen oft einen großen Anteil ihres Einkommens für Miete aufwenden und dafür auf anderes verzichten.

Um das Angebot an bezahlbarem Wohnraum zu verbessern, will die Stadt, wo immer möglich, über das Handlungsprogramm Wohnen ein Viertel der Wohnungen eines Bauprojekts für diese Nutzergruppen reservieren. Das ist aber nur möglich, wenn für die zu bebauende Fläche ein neues Planungsrecht gebraucht wird, zum Beispiel wenn sich die Nutzungsform für ein Baugebiet ändert und eine höherwertige Nutzung festgelegt wird. »Die Stadt kann dann die planungsbedingte Bodenwertsteigerung in Form von 25 Prozent Sozialwohnungen abschöpfen«, erklärt Riedlinger.

»Wir haben schon Potenzial, um etwas gestalten zu können«

Praktiziert wurde das bereits beim Wohnbauprojekt der Baugenossenschaft in der Traubenstraße, aktuell entsteht im Projekt »Achalmblick« im Gebiet »Hinterer Spielbach« weiterer bezahlbarer Wohnraum. »Und auch beim neuen IVC-Projekt in der Großen Heerstraße wird das der Fall sein«, betont er. In all diesen Fällen wurden ehemalige Gewerbe- oder Mischgebiete durch eine Bebauungsplanänderung in »urbane Gebiete« umgewidmet. Potenzial für weitere Sozialwohnungen gibt es auch beim Bauprojekt der Prettl-Familienstiftung auf dem ehemaligen Schlayer-Areal mitten in der Stadt. »Die Verhandlungen sind da auf einem guten Weg«, betont Riedlinger, »demnächst wird sich der Gestaltungsbeirat damit befassen.«

Aus Alt mach Neu heißt es jetzt auch in der Schlossstraße, wo seit einigen Wochen ein neues Mehrfamilienhaus entsteht.
Aus Alt mach Neu heißt es jetzt auch in der Schlossstraße, wo seit einigen Wochen ein neues Mehrfamilienhaus entsteht. Foto: Petra Schöbel
Aus Alt mach Neu heißt es jetzt auch in der Schlossstraße, wo seit einigen Wochen ein neues Mehrfamilienhaus entsteht.
Foto: Petra Schöbel

Die Stadt verfügt zudem auch über eigene Flächen, die sie mittels Konzeptvergabe an Baugemeinschaften vergeben will. Geplant ist das für das Grundstück Ecke Markt-/Kurze Straße, aber auch für drei Grundstücke direkt hinter dem Friedhof an der Achalmstraße: "Auf jedem ist Platz für jeweils fünf kompakte Stadthäuser. Das heißt, es könnte Wohnraum für 15 Familien entstehen." Auch im künftigen Baugebiet "Arbach Süd" hat die Stadt Grundbesitz, den sie Bauherrengemeinschaften mit einem guten Konzept zur Verfügung stellen will, ebenso auf dem ehemaligen Bröcker-Areal hinter dem Haus am Stadtgarten. »Wir haben schon Potenzial, um etwas gestalten zu können«, betont Riedlinger.

Er könnte sich auch vorstellen, dass das weitere Vorgehen der Stadt in Sachen Wohnungsbau nach der Sommerpause breiter diskutiert wird. »Vielleicht in einer Gemeinderats-Klausur«, sagt er, »oder auch in einem öffentlichen Wohnbauforum, denn die Bürger sollen ja auch mitbekommen, dass wir nicht nichts tun.«

Weil die Stadt selbst aktuell keine Bauplätze mehr anzubieten hat, ist aus seiner Sicht künftig auch eine funktionierende Wirtschaftsförderung unabdingbar. Riedlinger hofft, dass der neue Bürgermeister Stefan Wörner sich dafür gleich zu Beginn seiner Amtszeit einsetzt. »Es braucht jemanden, der aktiv auf Grundstückseigentümer zugeht«, betont er. Auch in den bestehenden Gewerbegebieten gebe es Potenzial, Flächen effektiver zu nutzen als bisher. »Nur so können wir verhindern, dass wir in die Außenbereiche gehen müssen.« (GEA)