Logo
Aktuell Fachtagung

Mehr Beratung, weniger Fälle bei der Jugendberatung Lichtenstein

In Lichtenstein geht’s am Samstag um die Weiterentwicklung der sozialraumorientierten Jugendhilfe.

Wo Menschen sich treffen, entsteht ein Sozialraum.  FOTO: ADOBE STOCK
Wo Menschen sich treffen, entsteht ein Sozialraum. Foto: Adobe-Stock
Wo Menschen sich treffen, entsteht ein Sozialraum.
Foto: Adobe-Stock

LICHTENSTEIN. Der Begriff bleibt sperrig, auch nach sieben Jahren. Seither gibt es die sozialraumorientierte Jugendhilfe in der Gemeinde Lichtenstein. Was als Modellprojekt des Landkreises begann, macht Schule. Inzwischen haben sich auch weitere Gemeinden entschlossen, die Jugendhilfe neu aufzustellen. Am Samstag treffen sich die Beteiligten und Interessierte zu einer Fachtagung in Lichtenstein. Dabei geht es um den Erfahrungsaustausch, aber auch um die Weiterentwicklung der Jugendhilfe nicht nur in Lichtenstein.

Zum Start vor sieben Jahren hat Lichtensteins Hauptamtsleiterin Beatrice Herrmann Bilder bemüht, um deutlich zu machen, was Sozialraum bedeutet. Er umfasst alles, mit dem Jugendliche in Kontakt kommen: Freunde, Bekannte, Verein, Schule, Arbeit, Nachbarn, Institutionen, Sozialarbeiter – wie ein Kreis, der jeden Jugendlichen, jeden Menschen umgibt. Und diese Kreise überschneiden sich. Etwa in der Schule, beim Sport, in der Freizeit. Anders gesagt, vor allem dort, wo sich das alltägliche Leben abspielt, wo die Jugendlichen, die Familien zu Hause sind.

Anlaufstelle Familienbüro

Menschen prägen den Sozialraum und der Sozialraum prägt Menschen. Sozialraumorientierung heißt folgerichtig, den Sozialraum zu gestalten, passender, besser zu machen und die Menschen in ihren Lebenswelten zu unterstützen.

Zentrales Instrument in Lichtenstein ist das Familienbüro des Rathauses. Es ist die Anlaufstelle für alle, die Unterstützung suchen. Das war das Rathaus schon früher, doch oft war dort Endstation, zumindest gefühlt, denn für die Jugendhilfe war und ist die Gemeinde nicht zuständig, sondern der Kreis. Aber statt wie früher auf einen Ansprechpartner im Jugendamt zu verweisen, sitzt der heute, ebenso wie eine Mitarbeiterin von pro juventa, mit im Familienbüro. Das niederschwellige Angebot kommt an, die Zahl der Hilfesuchenden steigt.

Wobei nicht ein zusätzliches Angebot, mehr Nachfrage weckt, wie Christine Besenfelder, Leiterin des Kreisjugendamtes, im vergangenen Jahr in einer Gemeinderatssitzung erklärt hatte: »Es geht um Aufgaben, die wir sowieso bewältigen müssten.« Sie sollen nur besser, ressourcenschonender, erfolgreicher erledigt werden als bisher.

Steigender Beratungsbedarf

»Wer wirklich helfen will, muss sich auskennen«, ist ein Kernsatz der sozialraumorientierten Jugendhilfe. Und mit dem Familienbüro vor Ort wächst die Kompetenz der Mitarbeiter. Sie knüpfen Kontakte untereinander, mit Vereinen, Kirchen, Nachbarn und anderen. Das macht letztlich zwei Dinge möglich: Bei der Hilfe geht der Blick über den Einzelfall hinaus und es werden unbürokratische Lösungen gefunden, die im Sozialraum liegen. Sei es durch die Unterstützung etwa von Nachbarn, Freunden oder Vereinen. Was letztlich zur Verbesserung der Situation für alle, die dasselbe Problem haben oder im selben Quartier leben, beitragen kann. Das stärkt auch das Zusammenleben in der Gemeinde.

Beispiele, wie vielfältig das Angebot vor Ort ist und auf was Hilfesuchende und Helfer zurückgreifen können, gibt es reichlich. Zu einer wichtigen Anlaufstation hat sich der Bürgertreff entwickelt. Hier ist das Familienbüro vertreten, der AK Asyl, der Tagesmütterverein, der Ortsseniorenrat, Frühe Hilfen, der AK Jugend, die Eingliederungshilfe und eine Ergotherapiepraxis nutzen die Räume, machen teilweise Angebote im Rahmen des Elterncafés. Platz zum Treffen, zum Kennenlernen, zur Unterhaltung, zum Austausch aber auch ein Platz, um Antworten zu bekommen, bei Erziehungsfragen oder Unterstützung, etwa bei den Hausarbeiten, aber natürlich auch bei der Beantragung staatlicher Unterstützung.

»Unser Mut, neue Wege zu gehen, wurde belohnt«, bilanziert Beatrice Herrmann nach sieben Jahren. Der Erfolg lässt sich vor allem an den in den vergangenen Jahren stetig gesunkenen Fällen, bei denen das Jugendamt weitere Hilfen anbieten musste, ablesen. Dem gegenüber stehe allerdings der deutlich gestiegene Beratungsbedarf vor Ort. Auf die dabei aufgedeckten Bedarfe könne durch die gewachsene Vernetzung der Kooperationspartner innerhalb der Gemeinde flexibel und kurzfristig reagiert werden. »Die im Sozialraum nunmehr fest verankerten Präventionsmaßnahmen, wie etwa das Ressourcentraining für Paare oder die Eltern-Kind-Wanderwochenenden tragen maßgeblich zur höheren Zufriedenheit der Familien und dem geringeren Hilfebedarf bei«, erklärt sie. (GEA)