LICHTENSTEIN. Lichterglanz trotz Energiekrise? Die Weihnachtshaus-Besitzer im Südwesten sind sich in diesem Jahr uneins, wie viel Bling-Bling es sein darf. Ob sein Weihnachtshaus erstrahlen soll, hat Jörg Meißel aus Lichtenstein mit einer Umfrage im sozialen Netzwerk Facebook entscheiden lassen. In den Kommentarspalten war die Antwort schnell klar: »Auf alle Fälle«, schrieb eine Nutzerin, »Weihnachten ist das Fest der Liebe, und das Leuchten gehört dazu.«
Nach zwei Jahren Corona-Pause will Meißel das Haus in Lichtenstein nun wieder dekorieren: mit 80.000 LED-Lichtern und bis zu 180 Figuren. Im Vergleich zu den Jahren davor werde die Beleuchtung aber etwas sparsamer angelegt sein, sagte Meißel der Deutschen Presse-Agentur. Statt auf Bling-Bling setze er diesmal auf einen nostalgischen Stil mit warm-weißen Tönen.
Doch nicht alle entscheiden sich in diesem Jahr für den aufwendigen Lichterglanz: »Ich will den Diskussionen aus dem Weg gehen«, sagte Thorsten Grüger, der seit Jahren sein Haus in Karlsruhe-Neureut im Advent beleuchtet. Grüger sagte, er kenne in seinem Umkreis viele, die eigentlich geplant hatten zu leuchten - dies aber nun aus Rücksicht nicht täten.
Deutsche Umwelthilfe fordert Verzicht auf Weihnachtsbeleuchtung
Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) forderte angesichts der Energiekrise in diesem Jahr den Verzicht auf Weihnachtsbeleuchtung in Städten und Privathaushalten. »In diesem Winter sollte es eine Selbstverständlichkeit sein, dass sowohl auf die Weihnachtsbeleuchtung in Städten, wie auch die der Häuser und Wohnungen verzichtet wird«, sagte Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.
»Angesichts des Kriegs in der Ukraine, der Energieknappheit aber auch aus Gründen des Klimaschutzes sollten wir einmal innehalten«, erklärte er. Resch wies auf den Stromverbrauch hin und schlug einen beleuchteten Baum pro Stadt und Gemeinde vor. »Hier bewusst zu verzichten, zu sparen und solidarisch zu sein, das könnte diese Weihnachtszeit sogar zu einer ganz besonderen machen.«
Städtebund: Kommunen müssen selbst entscheiden
Alexander Handschuh vom Deutschen Städte- und Gemeindebund (DStGB) betont, es komme in der Energiekrise auf die Gegebenheiten vor Ort an. Zu möglichen Energiesparmaßnahmen könnte in diesem Jahr auch eine Reduzierung der Weihnachtsbeleuchtung gehören. Doch: »Die Abwägungsentscheidung zwischen der notwendigen Energieeinsparung auf der einen Seite und der Erhaltung der Innenstadtbeleuchtung oder der Durchführung von Weihnachtsmärkten auf der anderen Seite können die Städte und Gemeinden nur vor Ort treffen.«
Dabei gehe es sowohl um die Frage, wie hoch das zu erzielende Einsparpotenzial ist, als auch um die wirtschaftlichen Folgen des Verzichts etwa für den Einzelhandel. Der Vorschlag der Deutschen Umwelthilfe sei »in der Pauschalität nicht zielführend«. Das wird zum Beispiel im Südwesten ähnlich gesehen.
Reutlingen und Tübingen sparen bei der Weihnachtsbeleuchtung
Die Stadt Reutlingen ihren Energieverbrauch um 20 Prozent senken. Weihnachtsbäume - darunter auch jener auf dem Marktplatz und der riesige Mammutbaum in Bronnweiler - sollen in der Adventszeit beleuchtet werden. Ebenso die Reutlinger Wilhelmstraße. Zeitlich wird die Illumination laut Külschbach jedoch begrenzt werden. Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer sieht Spar-Ansätze dieser Art grundsätzlich skeptisch: »Die Fokussierung der Diskussion auf die Weihnachtsbeleuchtung ist reine Symbolik und verdeckt Tatenlosigkeit bei den großen Verbrauchern«, wird er von der Deutschen Presse-Agentur zitiert. Doch auch Tübingen sucht Wege, um in der Vorweihnachtszeit Energie einzusparen.
Auch die Gemeinden Pliezhausen und Gomaringen haben bereits angekündigt, weitgehend auf Weihnachtsbeleuchtung zu verzichten.
In Stuttgart sollen die mit Ökostrom betriebenen Lichterketten nur noch 240 statt 450 Stunden an Tannenbäumen leuchten, wie die Stadt mitteilte. Das Rathaus selbst verzichtet sogar ganz auf Beleuchtung.
Im Weihnachtsdorf Waldbreitbach in Rheinland-Pfalz, das jedes Jahr Besucher aus ganz Deutschland anzieht, bleibt die Beleuchtung diesmal morgens aus. »Die Beleuchtung wird etwas verkürzt auf 6 Stunden täglich von 14.00 bis 20.00 Uhr, da in dieser Zeit auch die meisten Besucher anwesend sind«, sagte Sprecher Florian Fark. In den vergangenen Jahren habe man bereits auf LED umgestellt. Laut Betreiber werde der Stromverbrauch für die acht Wochen bei rund 3.000 Kilowatt stehen. »Der Verbrauch ist vergleichbar dem, was ein Einfamilienhaus mit vier Personen im Jahr verbraucht«, sagte Fark. Bei rund 30.000 Besuchern seien das Stromkosten von unter 600 Euro.
Dass der Strom empfindlich teurer geworden ist und der Gaspreis sich bei ihnen sogar verdoppelt hat, haben auch Dirk van Acken und seine Frau aus Oberhausen bemerkt. In diesem Jahr lassen sie eigenen Angaben zufolge die Lampen, die sonst schon um fünf Uhr früh angingen, morgens ganz aus. Abends soll eher Schluss sein mit der Beleuchtung.
Weihnachtsmarktsaison ist in Gefahr
Doch nicht nur Privathaushalte und städtische Gebäude unterliegen einem zunehmenden Sparzwang; nach den Ausfällen während der Corona-Pandemie ist auch die Weihnachtsmarktsaison erneut in Gefahr. In vielen Kommunen droht eine Weihnachtszeit mit weniger Beleuchtung als in früheren Jahren - es wird ein fahleres Fest, auch wenn keine großen Absagen in berühmten Weihnachtsstädten wie Dresden, Nürnberg, Heidelberg oder Frankfurt am Main anzustehen scheinen.
Dennoch kündigten viele Städte bereits an, weniger Weihnachtsbeleuchtung aufzubauen, sie seltener anzuschalten oder Öffnungszeiten zu verringern. Beim Essener Weihnachtsmarkt soll gut 20 Prozent weniger Strom verbraucht werden. In Mainz will man den mit der Landesregierung abgestimmten Beschluss umsetzen, 15 Prozent weniger Energie zu verbrauchen. In Berlin sind die großen Adventsbeleuchtungen an Einkaufsstraßen wie dem Kurfürstendamm in Gefahr.
Und wie reagieren die Kirchen in der für viele Gläubige bedeutungsvollen Weihnachtszeit? Um Energie zu sparen, verzichteten viele Kirchen seit einiger Zeit auf aufwendige Außenanstrahlungen, teilte ein Sprecher der evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) mit. Die vorweihnachtlichen Lichter, die in den Kirchen die Geburt Jesu ankündigten, seien »keine grellen Gigawatt-Lichter, sondern flackernde Hoffnungszeichen«. Laut der EKD transportieren sie die himmlische Botschaft vom Frieden auf Erden. »Dieses Hoffnungslicht wird gerade in diesem Jahr dringender denn je gebraucht.« (dpa/GEA)