PFULLINGEN. Als »Künstler mit drei Herzen« bezeichnete Kunsthistoriker Thomas Becker den Maler Ernst Eiting. Am 10. Oktober dieses Jahres wäre der Pfullinger Künstler 100 Jahre alt geworden. Aus diesem Anlass findet in der Klosterkirche Pfullingen, die wegen der Ausgrabungen nur vom Garten her betretbar ist, eine große Ausstellung statt. Den musikalischen Rahmen gestalteten Vivian Bellmann (Bratsche) und ihre Mutter Stefanie Bellmann (Klavier) mit Stücken von Georg Philipp Telemann und Bertold Hummel. Ursula Schäfer aus Waiblingen, Tochter des Künstlers, begrüßte die zahlreichen Gäste und dankte der Stadt für die Räumlichkeiten und die Unterstützung. Die Familie überlege aktuell, wie das künstlerische Erbe Eitings in Zukunft präsentiert werden könne.
Dokumentarischer Wert
Der stellvertretende Bürgermeister Martin Fink erinnerte daran, dass Ernst Eiting die Pfullinger Klostermühle noch vor ihrem Abbruch gemalt hat. Als Gründungsmitglied des Geschichtsvereins sei ihm die Erhaltung historischer Gebäude sowie der Kulturlandschaft sehr wichtig gewesen. »Er war ein kreativer und kritischer Kopf und hat der Stadt oft genug den Spiegel vorgehalten und uns zu schnellem Handeln aufgefordert«, sagte Fink. »Dabei war Eiting immer zutiefst menschlich.« Seine Werke, vertreten in vielen öffentlichen Räumen und privaten Wohnzimmern, wirkten in Pfullingen und weit darüber hinaus.
Professorin Waltraud Pustal, Vorsitzende des Geschichtsvereins, betonte den dokumentarischen Wert der Bilder Eitings: »Das ist nicht mit Geld aufzuwiegen.« Der Verein zeige in seinen Ausstellungen immer wieder Bilder des Künstlers, die frühere Gebäude, Straßenzüge, Kulturlandschaften oder Industriegebäude in intensiver Farbenpracht festhielten.
»Als hoch talentierter Autodidakt war Ernst Eiting eine feste Größe in Pfullingen«, betonte Becker. 1922 in Pfullingen geboren, absolvierte er ab 1936 eine Malerlehre bei Anton Geiselhart. Der Krieg habe ein Kunststudium verhindert. »Er wurde Handwerksmeister, der sich beständig weiterbildete.« 1952 eröffnete Eiting eine Malerwerkstatt und unterrichtete ab 1953 an der Meisterschule. In Pfullingen und Reutlingen habe er als Dozent der VHS seine Freude an der Kunst weitergegeben, sei aber auch ein streitbares Mitglied des Künstlerkollegiums Reutlingen gewesen. Mit 60 habe er sich ganz auf seine künstlerische Arbeit konzentriert. 2009 starb Eiting.
Als »Künstler mit drei Herzen« habe ihn zunächst die technische Perfektion und analytische Klarheit beschäftigt. Plein Air entstanden in Öl, Gouache, Pastell oder Aquarell Landschaften und Darstellungen von Straßenzügen oder Gebäuden, oft mit einem Hauch von Melancholie. »Im Sinn des Expressionismus geben die Bilder auch das innere Erleben wieder und lassen den Betrachter eintauchen in seine eigenen Empfindungen«, stellte Becker fest. Wasserlandschaften spielten eine große Rolle, ebenso Winterlandschaften, in denen mit zurückhaltendem Grau und Blau eindrucksvolle Stimmungen geschaffen würden.
EITING-AUSSTELLUNG
Die Ausstellung ist bis einschließlich Sonntag, 16. Oktober, in der Klosterkirche Pfullingen zu sehen. Sie ist geöffnet mittwochs und samstags von 14 bis 18 Uhr, sonntags von 11 bis 18 Uhr. (gb)
Dritte Charakteristik sei die Abstraktion, die jedoch nicht die gegenständliche Malerei ablöse, sondern parallel dazu existiere. Einflüsse von Feininger oder Jawlensky würden spürbar, jedoch nie nachahmend, sondern immer in einer ganz individuellen Art der Darstellung. Eiting habe auch die Kunst des Bauhauses mit Vertretern wie Baumeister oder Kandinsky in eine expressive Struktur übersetzt und sei eine unverwechselbare Größe in der Kunst. Die Gäste hatten anschließend Gelegenheit, die umfangreiche Ausstellung zu besuchen. (GEA)