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Wenn das Virus das Urteil killt

Die Statue Justitia
Die Statue Justita hält eine Waage in ihrer Hand. Foto: Peter Steffen/Archiv
Die Statue Justita hält eine Waage in ihrer Hand. Foto: Peter Steffen/Archiv

Schwere Jungs oder leichte Mädchen, Mörder, Messerstecher, Juwelenräuber oder Betrüger – in der über 100-jährigen Geschichte des altehrwürdigen Landgerichts in Tübingen wurden alle Verbrechen schon verhandelt: in Mammutprozessen oder Schnellverfahren, es gab nichts, was Richterinnen und Richter hier nicht schon zu einem Urteil geführt hätten. Bis jetzt. Und auch hier macht die Coronakrise einen völlig unjuristischen Strich durch die Rechnung. Was gestern noch galt, hat heute schon das Virus gekillt, auch wenn es noch gar nicht zugeschlagen hat. Ein Urteil sollte fallen – ganz schnell, schließlich rückt das Virus ja irgendwie immer näher. So war es jedenfalls angekündigt. Der Gerichtsreporter hatte aber insgeheim schon einkalkuliert, dass auch ein solch angekündigtes schnelles Urteil nicht schnell genug würde sein können. Dass es aber so hinterherhinken würde, hätte er nicht gedacht. Denn irgendjemand vom Team des Landgerichts hatte offenbar gehofft, das gefürchtete Virus einfach aussperren zu können und hatte das wuchtige Eingangsportal aus der Kaiserzeit mit der geschwungenen Klinke einfach mal geschlossen. Ob drinnen ein schnelles Urteil fällt oder nicht, völlig egal. Durch diese schwere Tür sollte nichts mehr kommen. Kein Virus und auch kein Gerichtsreporter. Ein Justizbediensteter auf der Suche nach Frischluft entpuppte sich als schließlich als Schlüsselmeister und Aufklärer in unklaren Zeiten. Aufgesperrt war zwar schnell, aber das schnelle Urteil gab’s dann tatsächlich nicht. Vertagt auf April, so seine Auskunft. Wenn das Virus dieses angekündigte Urteil dann nicht auch noch ganz schnell killt.