METZINGEN/STUTTGART/TÜBINGEN. »Information zu MEX 12 nach Heilbronn, planmäßige Abfahrt 7.22 Uhr, heute circa 15 Minuten später, Grund dafür ist eine Verspätung aus vorheriger Fahrt«, tönt die KI-Frau mechanisch monoton aus dem Lautsprecher im Metzinger Bahnhof. Solche Ansagen sind entlang der Neckar-Alb-Bahn Tübingen - Stuttgart an der Tagesordnung. Am Bahnsteig bleiben frustrierte fröstelnde Reisende zurück, die pünktlich zur Arbeit gemusst oder auf einen Ausflug gewollt hätten. »Ich hab Puffer«, sagt ein Mann. Größere Verspätungen überschatten seit vielen Monaten die Neckar-Alb-Bahn Stuttgart - Tübingen und die Linie Bad Urach - Herrenberg zwischen dem Erms- und dem Ammertal. Die Platzkapazität in den Zügen schwankt im Neckartal stark. Immer wieder müssen Fahrgäste stehen, weil die Züge zu kurz und damit zu voll sind.
Doch Zuverlässigkeit und genügend Sitzplätze sind das A und O im regionalen Zugverkehr, für den das Land verantwortlich ist, ergänzend auch der Zweckverband ÖPNV Ammertal. Sie ist auf den genannten Strecken seit Langem nicht mehr gegeben. »Die Ammertalbahn ist oft verspätet oder fällt sogar aus«, sagt eine Frau, die in Pfäffingen wohnt und in Stuttgart arbeitet. Um verlässlich um 9 Uhr an ihrem Arbeitsplatz zu sitzen, muss sie um 7.04 Uhr ihren ersten Zug nehmen und in Herrenberg oder Tübingen umsteigen - wo die Zeit jeweils knapp bemessen ist. Wie sehen Land und Bahnbetreiber die Lage und wie kann sie sich verbessern? Am Sonntag, 15. Dezember, ist Fahrplanwechsel. Da wird zumindest an einzelnen Stellschrauben gedreht.
- Wie viele Züge kommen pünktlich an, wie viele fallen aus?
Je nach Kalenderwoche pendelt der Wert der Züge, die maximal fünf Minuten zu spät sind, bei den durchgehenden Zügen zwischen Stuttgart und Tübingen zwischen 60 und 70 Prozent, informiert Annika Stuke, Referentin für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit im Stuttgarter Verkehrsministerium. Die Verbindung Bad Urach - Metzingen - Tübingen wird mit 86 bis 90 Prozent Pünktlichkeitsquote angegeben. Ausgefallen sind im gesamten Stuttgarter Netz Neckartal, zu der die Neckar-Alb-Bahn zählt, je nach Woche 2 bis 6 Prozent der Züge, im Verkehrsnetz Ermstal/Ammertal 0 bis 2,8 Prozent.
- Wie kommentieren Land und Kommunalpolitiker die Lage?
»Die Werte liegen deutlich unter den verkehrsvertraglich vereinbarten Zielwerten, sodass das Land mit den Ist-Werten nicht zufrieden ist«, sagt Stuke weiter. Metzingens Oberbürgermeisterin Carmen Haberstroh wird deutlicher: »Die Situation ist unbefriedigend«, macht sie im Gemeinderat deutlich, »wir sind im ständigen Austausch mit der Deutschen Bahn.« Ein offener Brief habe aber nichts gebracht. »Die Bahn hat ein generelles Problem mit dem Sanierungsstau ihrer Strecken. Er muss überwunden werden. Ich drücke beide Daumen, dass das Fahrt aufnimmt.«
Bleibt die Pünktlichkeit der Züge Glückssache, »müssen wir uns über unsere Stadtbusse keine Gedanken mehr machen«, sagt die OB. Denn die Fahrpläne von Zügen und Busse sind aufeinander abgestimmt. Grünen-Stadtrat Dr. Markus Schenk legt den Finger ebenfalls in die Wunde, berichtet von Schulkindern und Pendler, die 45 bis 60 Minuten am kalten Bahnsteig auf den nächsten Zug warten mussten. »Die Lage ist wirklich übel.«
- Worin liegen die Hauptursachen für Verspätungen und Ausfälle?
Im an vielen Stellen maroden Bahnnetz, für das die DB-Tochter InfraGo zuständig ist und das zahlreiche Langsamfahrstellen und Baustellen mit sich bringt, genauso wie in Nadelöhren. Ein solches liegt zwischen Plochingen und Wendlingen. Hier fahren Regionalzüge in dichtem Takt genauso über die beiden Gleise wie ICEs und S-Bahnen. Bringt ein Fernzug Verspätung mit, müssen die nachgeordneten Regionalzüge warten. »Im Jahr 2024 waren bislang etwa 22 Prozent aller Fahrten der landeseigenen SWEG Bahn Stuttgart auf der Strecke Stuttgart - Tübingen von Bauarbeiten betroffen, was zu Ausfällen und Teilausfällen, vor allem in den Sommermonaten, führte«, teilt Annika Stuke mit. Hinzu kommen ungeplante Ausfälle, von denen drei Prozent durch infrastrukturelle Störungen etwa an Signalen, Stellwerken oder Weichen und ein Prozent durch Personalausfall und 0,7 Prozent wegen vorzeitigem Wenden wegen vorheriger hoher Verspätungen verursacht werden.
- Was wird zur Verbesserung der Lage getan?
Zum Fahrplanwechsel am Sonntag wird die bisher durchgehende Verbindung Bad Urach - Herrenberg in Tübingen aufgesplittet. Dann fahren die Züge der Linie RB 63 zwischen Herrenberg und Tübingen und zwischen Tübingen, Reutlingen, Metzingen und Bad Urach. "Die Verbesserung der Pünktlichkeit auf beiden Strecken ist das Ziel und Anlass der Neustrukturierung, sagt die Ministeriums-Pressereferentin. Es bedeutet aber auch, dass Fahrgäste mehr umsteigen müssen - wodurch sich Fahrzeiten verlängern können. Für die zwischen Tübingen und Heilbronn oder Osterburken verkehrenden Züge der Linien MEX 12/18 sind "insbesondere am Wochenende Kapazitätsverstärkungen geplant, da die hohe Auslastung seit dem Deutschlandticket immer wieder zu Verzögerung des Fahrtverlaufs führt".
Die Deutsche Bahn hat sich auf die Presseanfrage des GEA anders als das Land nicht zurückgemeldet. Durchgreifend besser werden könnte die Lage auf der Neckar-Alb-Bahn aber mit der Inbetriebnahme von Stuttgart 21, also des neuen Tiefbahnhofs und der Neubaustrecke über die Fildern und den Flughafen. Die verzögert sich indes seit Jahren und wird frühestens Ende 2026 erfolgen. Das Neckartal hätte dann zwischen Wendlingen und Tübingen zwei Zulaufstrecken statt einer; der Bahnverkehr und mit ihm die Reisenenden könnten pünktlicher, entzerrt und entlastet werden. Vorausgesetzt, der Tiefbahnhof packt den Zugandrang. (GEA)