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Aktuell Geschichte

Straßen in Metzingen: Wie sie zu ihren Namen gekommen sind

Was der Metzinger Stadtarchivar Rolf Bidlingmaier über Straßen und ihre Vorbilder herausgefunden hat.

Taufe der Holy-Allee mit (von links) Marc Holy, Urenkel von Hugo Boss, Daniel Grieder (Vorstandsvorsitzender der Hugo Boss AG),
Taufe der Holy-Allee mit (von links) Marc Holy, Urenkel von Hugo Boss, Daniel Grieder (Vorstandsvorsitzender der Hugo Boss AG), Oberbürgermeisterin Carmen Haber-stroh, Boss-Enkel Uwe Holy und Yves Müller (Finanzvorstand der Hugo Boss AG). FOTO: PIETH
Taufe der Holy-Allee mit (von links) Marc Holy, Urenkel von Hugo Boss, Daniel Grieder (Vorstandsvorsitzender der Hugo Boss AG), Oberbürgermeisterin Carmen Haber-stroh, Boss-Enkel Uwe Holy und Yves Müller (Finanzvorstand der Hugo Boss AG). FOTO: PIETH

METZINGEN. War es während der Gemeindereform noch möglich, Straßennamen ohne Proteste aus der Bevölkerung umzubenennen, so änderte sich dies kurze Zeit später. Im Jahr 1979 schloss Metzingen eine Partnerschaft mit der französischen Stadt Noyon. Als in Noyon ein Boulevard de Metzingen angelegt wurde, sah sich auch Metzingen veranlasst, eine Straße nach Noyon zu benennen.

Da die Partnerschaft vom Schüleraustausch am Dietrich-Bonhoeffer-Gymnasium ausgegangen war, kam die Stadt auf den Gedanken, den daran vorbeiführenden Öschweg in Noyon-Allee umzubenennen. Im Hinblick auf das bevorstehende Jubiläum 150 Jahre Stadt Metzingen, in dessen Rahmen die Umbenennung der Straße im Beisein einer Delegation aus Noyon erfolgen sollte, fasste der Gemeinderat im Mai 1981 einen entsprechenden Beschluss. Wenige Tage später lief auf dem Rathaus ein geharnischtes Protestschreiben ein, das von 56 Anwohnern unterzeichnet war. Kritisiert wurde vor allem, dass die Entscheidung getroffen wurde, ohne die Anwohner überhaupt zu informieren und anzuhören.

Suche nach Alternativen

Bürgermeister Eduard Kahl verteidigte zwar zunächst den Beschluss, schlug jedoch dem Gemeinderat Anfang Juni eine Aussetzung der Umbenennung und die Suche nach Alternativen vor. Der Gemeinderat folgte diesem Vorschlag. Erst 1985 wurde die Benennung einer Straße nach der Partnerstadt Noyon wieder aufgegriffen. Der Gemeinderat benannte nun die neu ausgebaute Goethestraße in Noyon-Allee um.

Straßenbenennungen nach Persönlichkeiten der Bundesrepublik Deutschland erwiesen sich ebenfalls als nicht unproblematisch. Im Jahr 1975 beantragte die CDU-Fraktion des Gemeinderats aus Anlass des bevorstehenden 100. Geburtstags von Konrad Adenauer, eine Straße oder einen Platz nach dem ersten Bundeskanzler der BRD zu benennen. Dies führte nichtöffentlich zu Auseinandersetzungen zwischen den politischen Lagern. Die Städträte Kleinknecht (SPD) und Dr. Oelhafen (FDP) bezeichneten Adenauer als »umstrittene politische Größe«. Auch in öffentlicher Sitzung konnte sich das Gremium zunächst auf keine Lösung einigen.

Eigentlich sollte kein Festakt stattfinden

Im März 1976 beschloss der Gemeinderat dann, den Platz vor der Stadthalle in Konrad-Adenauer-Platz zu benennen. Allerdings sollte nach dem Willen von SPD und FDP kein Festakt zur Widmung des Platzes stattfinden – der jedoch gleichwohl stattfand, allerdings in Gegenwart von lediglich fünf CDU- und zwei FWV-Stadträten. Damit war die Angelegenheit jedoch noch nicht ausgestanden, denn die SPD-Fraktion stellte drei Tage nach dem Tod des ehemaligen Bundespräsidenten Gustav Heinemann im Juli 1976 den Antrag – gewissermaßen zum Ausgleich – einen Teil der Schillerstraße in Gustav-Heinemann-Straße zu benennen. Unproblematischer erwies sich 1994 die Benennung der Willy-Brandt-Straße nach dem ehemaligen Bundeskanzler.

In den vergangenen Jahrzehnten war die Stadtverwaltung bestrebt, Straße und Wege nach Metzinger Persönlichkeiten zu benennen, um so die örtlichen Traditionen und Besonderheiten in den Vordergrund zu rücken. Hierzu zählen die Friedrich-Henning-Straße, die Paul-Lechler-Straße, der Hugo-Boss-Platz, der Gaenslen-&-Völter-Platz und die Holy-Allee. Während der neue Platz in der Outletcity nach dem Modeunternehmen Hugo Boss und dessen Gründer benannt wurde, erinnert die Holy-Allee auf dem Areal des Unternehmens an Uwe und Jochen Holy, die Enkel des Firmengründers, die aus der mittelständischen Kleiderfabrik den internationalen Modekonzern schufen.

Die Namensgebung zeigt zugleich die Verbindung zwischen beiden Unternehmen auf. Der Fabrikverkauf der Hugo Boss AG ist zugleich der Ausgangspunkt für die Entwicklung der Outletcity Metzingen. Auch die Holy-Allee war im Gemeinderat im Vorfeld nicht unumstritten. Susanne Bernauer (Grüne) hatte zu Bedenken gegeben, dass jüngere Menschen »holy« als »heilig« lesen könnten und damit eine unglückliche Assoziationskette Holy-Allee – heilige Allee – zu den Tempeln des Konsums entstehen könnte. (eg/GEA)

 

METZINGER STRASSENNAMEN

In der Entstehung der Straßennamen spiegeln sich zugleich historische Entwicklungen im Land und in der Stadt in den letzten beiden Jahrhunderten wider. Dies wurde zuletzt bei der Diskussion um die Hindenburgstraße deutlich. Die Geschichte der Metzinger Straßennamen war ein bislang unbearbeitetes Thema. Dementsprechend gibt Stadtarchivar Rolf Bidlingmaier in einer kleinen Artikel-Serie einen Überblick über die Entstehung und Bedeutung. (GEA)

BROSCHÜRE

Die Beiträge der Zeitungsserie »Metzinger Straßennamen und ihre Geschichte« wurden in einer Broschüre des Stadtarchivs zusammengefasst. Das Heft enthält darüber hinaus ein Verzeichnis sämtlicher Straßennamen in Metzingen, Neuhausen und Glems mit dem Datum ihrer Benennung und der Erklärung ihrer Bedeutung. Die Broschüre ist kostenlos am Empfang im Rathaus erhältlich. (GEA)