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Aktuell Krimi-Soirée

Spannung, Klang und Sprachspiel in Metzingen

Premiere im Metzinger Kulturforum mit Autoren Walther Stonet und Werner Kehrer und Musiker Heinrich Herpich.

Schlagzeuger Heinrich Herpich entlockt dem Vibraphon sphärische Klänge, davor und danach lesen die Autoren Walther Stonet und We
Schlagzeuger Heinrich Herpich entlockt dem Vibraphon sphärische Klänge, davor und danach lesen die Autoren Walther Stonet und Werner Kehrer (hinten). FOTO: BERNKLAU
Schlagzeuger Heinrich Herpich entlockt dem Vibraphon sphärische Klänge, davor und danach lesen die Autoren Walther Stonet und Werner Kehrer (hinten). FOTO: BERNKLAU

METZINGEN. Die Premiere am Donnerstagabend war sehr gut besucht. Eingeladen hatten die Gastgeber vom Kulturforum Metzingen und der Verlag Oertel+Spörer, der die Bücher verlegt. Erdacht und organisiert hatte diese Krimi-Soirée einer der beiden Autoren, und er steuerte neben seiner Prosa auch noch Gedichte bei. Und Walther Stonet hatte neben seinem schreibenden Kollegen Werner Kehrer einen herausragenden Schlagzeuger eingeladen, der seit Februar an der Metzinger Musikschule unterrichtet: Heinrich Herpich. Er hat mit vielen großen deutschen Orchestern musiziert und eröffnete den Abend nach der Begrüßung und dem ersten Kriminalsonett von Walther Stonet mit William Sinstines Marimbaphon-Stück »Whispering Woods« und Vier-Schlägel-Technik. Der Neuhäuser Autor Werner Kehrer las dann aus seinem mit viel Lokalkolorit angefärbten Krimi »Reutlinger Blues«, der freilich in Hamburg bei einem dekadenten Fest am Elbstrand beginnt.

Eine Gruppe von Geschäftsleuten um den Süddeutschen Fred vom Flugzeugzulieferer aus dem Industriegebiet In Laisen hat neben edlem Catering samt Champagner spontan auch die englische Straßenmusikerin Janis für die Sause am Ufer engagiert. Die betrunken gemachte Janis merkt erst zwei Monate später die Folgen ihres Filmrisses. Sie ist schwanger. Mit nichts als einer Tankquittung aus Dettingen macht sie sich auf die Socken, um Rache zu üben an ihren Peinigern und Schwängerern, kommt in der Juhe von Bad Urach unter und musiziert in Reutlingen. Bei einer Lesung wird der Fortgang natürlich nicht verraten. Aber Heinrich Herpich ergänzte den Krimiplot passend mit dem Stück »Blues für Gilbert« von Mark Glenworth, bei dem das Vibraphon zum Einsatz kam, dessen Platten aus Metall sind und das den Klang mit elektrisch regelbaren Klappen an seinen Resonanzröhren variieren und vibrierend schwingen lassen kann.

Grotesk zugespitzt

Walther Stonet hat sich als Lyriker ganz der edlen Form des Sonetts mit seinem 4-4-3-3-Muster verschrieben und bearbeitet sie mit viel Witz, Groteske, Überzeichnung und einem Gran aphoristischer Weisheit, wie sie auch seiner Krimi-Prosa eigen sind. Sein erster Kriminalroman trägt den Titel »Tatort Glashaus«, spielt zwischen Reutlingen und Tübingen, Lustnau und Hirschau. Er hat zwar jede Menge angedeuteter oder offensichtlicher Bezüge zur realen Gegend und zu realen Personen, ist aber mit seinen Ballereien, Explosionen und Massakern finsterer Mafiosi, Sex and Crime so heillos und grotesk zugespitzt wie etwa Quentin Tarantinos Film »Pulp Fiction« – ein ganz eigener Stil, ein ganz eigener Sound jedenfalls mit seinem banden-kriegsversehrten Kriminalkommissar a.D. Tankred Jürg Graf »T.J.« Brühlsdorf und der Staatsanwältin Isodora Clementelli als besserer Hälfte des Ermittlerduos, die manchmal wilden, manchmal lesbischen Sex und »lustvollen Samenraub« braucht.

Ganz im Ernst bei aller Ironie und Überspitztheit geht es dem hauptberuflichen Neugreuther IT-Unternehmer und Literatur-Blogger im thematischen Hintergrund neben der N’Drangheta und anderen Mafiabanden auch um die Problematik posttraumatischer Belastungsstörungen gerade in den Helfer-Berufsgruppen. Das Publikum lauschte gebannt und applaudierte dieser gelungenen Premiere begeistert, nachdem Stonet noch sein »So-Nett-Gelebt«-Gedankengedicht »Es wallt des Verses dunkle Seelenschwere« zum Besten gegeben und Heinrich Herpich mit dem Stück »Ghanaia« auf dem Marimbaphon seinen hochkomplexen Abgesang beigesteuert hatte. (mab)