METZINGEN-NEUHAUSEN. Leichter sommerlicher Charme strahlte in einen verregneten, kühlen Herbstabend. Das Ensemble »Caprice Musette« aus Metzingen entführte die Gäste im voll besetzten Saal des Bindhofs in die Welt der heiteren Akkordeonmusik. Bereits zum 11. Mal fand der französische Kulturabend statt, den der Partnerschaftsverein Metzingen-Noyon und der Veranstaltungsring Metzingen gemeinsam ausrichtete.
»Caprice Musette« sind Rainer und Alexander Gleim, Vater und Sohn, die sich der lebensfrohen Musette-Musik verschrieben haben. Zentrales Instrument ist das Akkordeon, virtuos gespielt von Rainer Gleim, das schon bei den ersten Klängen die Bilder von Boulevards, Seine-Ufer und Tanzsälen aufkommen ließ. Wie Alexander Gleim erläuterte, entstand die Musetterichtung Ende des 19. Jahrhunderts in Paris, als sich durch den Zuzug von Arbeitern die unterschiedlichsten musikalischen Traditionen vermischten. Tanzveranstaltungen fanden in Bars statt, die wie Pilze aus dem Boden schossen und nicht immer den besten Ruf hatten. »Manchmal musste man Tische und Stühle am Boden festnageln, damit sie bei Schlägereien nicht durch die Luft flogen«, so Gleim. Das Publikum hatte das offenbar gleich vor Augen und kicherte.
»Pigalle«, »Rue Parisienne« und »Mademoiselle de Paris« waren Walzer, die es schwer machten, auf den Stühlen sitzen zu bleiben. Meisterhaft wurde das Akkordeon von Alexander Gleim auf Bass und Cello sowie bei manchen Stücken auch von seiner Mutter Lydia Gleim auf dem Flügel begleitet.
Zweiter Schwerpunkt war der Tango, der nach dem Ersten Weltkrieg ganz Europa eroberte, obwohl er, wegen des engen Körperkontakts beim Tanzen, in »besseren Kreisen« zunächst verpönt gewesen sei. In die fröhlichen Klänge mischte sich auch Melancholie, denn, so Alexander Gleim, »auch der schwere Alltag der Arbeiter fand sich in der Musik wieder.«
Natürlich handelten viele der Lieder von der Liebe. Der glücklichen, voller Energie, Lebensfreude und Zärtlichkeit, und der verflossenen, von der nur wehmütige Erinnerungen blieben. Alle Stimmungen drückten sich in der Musik aus. Die zugehörigen Tänze machten es möglich, Empfindungen auch in körperliche Bewegung umzusetzen.
Auch Strömungen aus Lateinamerika gingen in die Musettemusik ein. Alexander Gleim griff für diese Stücke zum E-Bass, der »etwas knackiger« sei als das Holzpendant. Rainer Gleim wechselte zu einem Akkordeon mit einer anderen Stimmung und schärferem, vollerem Klang. Jazz erklang und Filmmusik wie »Kommissar Maigret«, die bei den Zuschauern hörbar Erinnerungen weckte. Das Publikum bekam an diesem Abend die ganze Bandbreite des Akkordeons vorgeführt und ließ langen Beifall und Bravorufe hören. (gb)