METZINGEN/MÜNSINGEN. Zum zweiten Mal ist angerichtet: Milch, Käse, Eier, Linsen und ganz neu Kartoffeln von der Alb, Mehl aus Lichtenstein, Wein aus Metzingen und Neuffen und so vieles mehr. Entlang der Albgemacht-Genusswanderung am Sonntag, 12. Juni, im Neuhäuser Weinberg oberhalb der Äußeren Kelter. »2020 und 2021 wollten wir, jetzt schaffen wir es«, spielt Rainer Striebel aus der Geschäftsstelle des Biosphärengebiets Schwäbische Alb in Münsingen auf die pandemiebedingte Pause an. »Probieren, einkaufen, wandern« hieß es schon 2019 bei der Erstauflage der Genusswanderung, es ist auch am Sonntag wieder angesagt. Wie damals hoffen die Albgemacht-Macher auch jetzt auf 2 000 bis 3 000 Besucher. Die Wettervorhersage macht Mut, ist gut.
Im Vorgespräch mit den ebenfalls regionalen Medien blicken die Organisatoren auf eine Marke, die sich immer mehr durchsetzt, im Bewusstsein der Verbraucher ankommt und auch bei Marktbetreibern. »Wir sind mittlerweile zwölf regionale Produzenten, deren Produkte in vielen Rewe- und Edeka-Märkten in den Kreisen Reutlingen und Tübingen präsent sind«, macht Albgemacht-Vereinsvorstandsmitglied Jörg Waldner deutlich. Tendenz steigend. »Hin und wieder fragen Betriebe an. Jedes Jahr haben wir ein bis zwei neue Mitglieder, es ist ein solides Wachstum.« Das ist ganz im Sinne der Geschäftsstelle des Biosphärengebiets Schwäbische Alb, die dem Regierungspräsidium Tübingen untersteht.
»Jedes Jahr ein bis zwei Mitglieder mehr, ein solides Wachstum«
Dabei ist es nicht unbedingt leicht, in den Verein mit den lila-weißen Signets zu kommen. »Es ist mehr als ein Etikettenwechsel«, sagt Striebel, »sieben genaue Kriterien sind zu erfüllen.« Zu denen die durchweg regionale Herkunft der Produkte und ihrer Zutaten genauso gehört wie eine Produktion im Einklang mit der Natur, ein Glyphosatverbot für Landwirte – und für diese auch ein Gebot, auf mindestens fünf Prozent ihrer Anbauflächen Blühstreifen auszusäen, in denen sich Wildbienen heimisch fühlen können. Das führt zum Thema Artenvielfalt, das auch im Metzinger und Neuhäuser Weinberg durch Trockenmauern und eingeflochtene Wiesenstreifen zwischen den Rebflächen immer größergeschrieben wird.
Nicht zuletzt ist auf den lila Albgemacht-Verpackungen immer ein Betriebsinhaber oder Geschäftsführer angegeben. »Die Kommunikation mit Verbrauchern ist extrem wichtig«, betont Striebel. So können Erzeuger ihre Produktionsweise transparent und verständlich machen und Kunden binden. Mustergültig geschieht das bei der Genusswanderung: Auf dem zwei Kilometer langen Rundkurs auf zwei Terrassen des Neuhäuser Weinbergs können die Besucher an Stationen von zehn regionalen Produzenten Halt machen. Mit ihnen ins Gespräch kommen, Brotschnitten, Käsehäppchen oder Saftschlucke probieren und davon auch kaufen.
Gemütlich hinsetzen können sie sich in der Inneren Kelter. Dort bewirtet der Kelternverein Neuhausen ebenfalls durch die Bank mit Albgemacht-Köstlichkeiten – zum Beispiel Lammbratwürsten und Roten Würsten – und wird den Erlös für weitere Renovierung der Inneren und die Mittlere Keltern einsetzen, die dem Verein gehören. »In die Innere Kelter haben wir schon 320 000 Euro reingesteckt, so viel, wie kein anderer Verein in ein Projekt oder Bauwerk«, informiert Ortsvorsteher Günter Hau, der gleichzeitig Kassierer des Kelternvereins ist.
»Die Kommunikation mit den Verbrauchern ist extrem wichtig«
Auch das Rahmenprogramm der Genusswanderung geizt nicht mit Reizen. Auf den Festplätzen an den drei Neuhäuser Keltern warten Familienangebote, Spielbereiche und weitere Info-Möglichkeiten, vertreten ist auch die Klimaschutzagentur Reutlingen. Der Kleintierzuchtverein Neuhausen lockt mit einem Streichelzoo, Weinerlebnisführer leiten durch den Neuhäuser Wengert. Das Ganze von 11 bis 17 Uhr. Mit einem Erntebittgottesdienst um 10 Uhr an der Inneren Kelter beginnt der bunte Regionaltag, denn ohne Ernte von hier geht wenig im Wirkungskreis des Albgemacht-Vereins.
Dessen Genusswanderungen werden weiterhin Kreise ziehen. Kommt die Pandemie nicht noch mal dazwischen, soll es sie jährlich geben. Ob sie im Weinberg, am Platz der erfolgreichen Erstauflage bleiben, ist offen. »Die Grundidee, alle Mitglieder zu versammeln, ist auch in anderen Bereichen möglich, etwa auf der Albhochfläche«, sagt Striebel. Auch dort können sich Albgemacht-Erzeuger untereinander und mit Publikum zum Austausch treffen. Und auch dort wächst mittlerweile Quinoa. Nicht nur im peruanischen Hochland. Im in Münsingen ansässigen Verein ist also nicht nur Nachhaltigkeit zu Hause, sondern auch Kreativität und Know-how. (GEA)