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Aktuell Engagement

Das erlebten Helfer aus dem Ermstal in der Ukraine

Pünktlich starteten zwei Kleinbusse aus dem Ermstal Richtung Ukraine nach Mykolajiw und Odessa.

Ein erbeuteter  Panzer als Mahnmal in Mykolajiw. FOTO: PRivat
Ein erbeuteter Panzer als Mahnmal in Mykolajiw. FOTO: PRivat
Ein erbeuteter Panzer als Mahnmal in Mykolajiw. FOTO: PRivat

METZINGEN. Wieder waren die unermüdlich für die Menschen in der Ukraine Engagierten von »Ermstal hilft« auf Achse. Sie haben Hilfe in das kriegsgeschundene Land gebracht. Am 31. Juli pünktlich um 11.45 Uhr starteten zwei Kleinbusse aus dem Ermstal Richtung Ukraine in das Gebiet um Mykolajiw und Odessa. Michael Winter, Luis Digel, Simom Jell, Finn Geiger und Martin Salzer haben diesmal das Team gebildet.

Nachfolgend berichten sie aus ihrem Tourtagebucht. In diesem Bericht werden keine Ortschaften mehr genannt, da zwischenzeitlich auch kleinere Bauernhöfe mit Getreidesilos und angrenzendem Dieseltanks beschossen werden und keine potenziellen Ziele geliefert werden sollen.

Auf dieser Tour standen neben Werkzeugen, medizinischem Material, Feuerwehrausrüstung und den gesammelten Fahrrädern vielen Besprechungen mit Hilfsorganisationen vor Ort auf dem Programm. Eine Aufgabe dieser Tour war, sich vom Einsatz der bereits gelieferten Hilfsgüter ein Bild zu machen, um zukünftige weiter effektiv helfen zu können. Der Tourplan sah vor, dass für all die Aufgaben acht Tage Zeit waren und so ist das Team mit fünf Fahrern gestartet, um bei der Hin- als auch Rückfahrt die etwa 24 Stunden Fahrtzeit ohne Übernachtung durchzufahren.

Kampf mit der Korruption

Mit einer stau- und unfallfreien Rekordfahrt trifft die Gruppe am 1. August bereits um 11 Uhr an der Grenze Rumänien-Ukraine ein und verlässt nach den Zollformalitäten mit der 13.30 Uhr Fähre über die Donau die Europäische Union. Beim Übersetzten beobachteten die Männer, wie ukrainische Getreideschiffe beladen wurden. Aufgrund verschärfter Gesetze zur Korruptionsbekämpfung werden in der Ukraine die Empfänger von Hilfsgüter akribisch geprüft und der Warenerhalt mit den beim Zoll gemeldeten Ladepapieren abgeglichen. Das Team durfte gegen 19 Uhr endlich passieren und wurden an der ersten Abladestelle vom stellvertretenden Bürgermeister Sergeij L. empfangen. Er lotste sie zu einem Kinderheim, an welches Bettwäsche und Kindersachen geliefert wurden, da über 5.000 Binnenflüchtlinge in der Stadt betreut werden. Im zweiten Stopp wurden die Helfer vom gesamten Löschzug der Berufsfeuerwehr empfangen, denen Sicherheitshandschuhe, Werkzeuge und Feuerwehrausrüstung übergeben wurden. Es entstanden tolle Fotos der Übergabe, nichts ahnend, dass in wenigen Stunden später genau das Fahrzeug, vor dem das Team stand, mitsamt der neuen Ausrüstung im Einsatz sein wird, um das Feuer nach dem Raketenangriff auf den Getreidehafen und dessen Infrastruktur zu löschen. Nach weiteren zwei Stunden Fahrt Richtung Landes innere wurde gegen 22.30 Uhr das Hotel erreicht.

Der Bunker in der Schule in Odessa wird als Klassenzimmer umfunktioniert. FOTO: PR
Der Bunker in der Schule in Odessa wird als Klassenzimmer umfunktioniert. FOTO: PR
Der Bunker in der Schule in Odessa wird als Klassenzimmer umfunktioniert. FOTO: PR

Am nächsten Tag, pünktlich um 7 Uhr ging es weiter mit circa vier Stunden Fahrzeit Richtung Mykolajiw. In Odessa wurden die Fahrzeuge getankt und kurz gefrühstückt. Mittags in Mykolajiw angekommen, wurden die Helfer vom Chef der Hilfsorganisation »Budcak Relief« empfanden. Er fährt die Waren von Ermstal hilft weiter in das 50 Kilometer entfernte stark umkämpfte Cherson oder in das Donezk Gebiet, dort wo es eben benötigt wird. Nachdem die Hilfsgüter unter dem Geheul der Sirenen vom Luftalarm entladen waren, ging es in ein Dorf im Bezirk von Cherson in welchem die Kämpfe aufgehört haben.

Es war beeindruckend, 25 Kilometer entfernt von Cherson zu sehen, wie die Ukrainer in einer ausgebrannten Autowerkstatt wieder den Betrieb aufgenommen haben, oder wie die Menschen zurückkehren und ihre zerschossenen Dörfer wieder aufbauen. Kinder spielen mit leeren Patronenhülsen von Panzern und das Team wird streng ermahnt, nur auf den Straßen zu bleiben, da die russische Armee alles vermint hat. Natallia, Dolmetscherin und »Engel« die das Team aus dem Ermstal begleitet hat, fährt mit dem Linienbus vier Stunden zurück in ihr Heimatdorf. Die Gruppe bleibt in Mykolajiw zurück und verarbeitet die Eindrücke beim gemeinsamen Abendessen. Beim Bezahlen der Rechnung fällt einem Fahrer auf, dass seine Kreditkarte fehlt und er diese vermutlich in der Tankstelle in Odessa verloren hat.

Am Morgen sind alle Fahrer um 7 Uhr an den Bussen aber es steht eine fremde Frau an den Fahrzeugen die mit »Ermstal hilft« und »Humanitärer Hilfe« beschriftete sind. Olga spricht gut Englisch und bittet darum ihr zu helfen. Sie braucht Wasseraufbereitungsmittel und Stromaggregate für Dörfer in Cherson die von der Sprengung des Staudamms immer noch stark betroffen sind.

Programm für Kinder

Das Team hat Hilfe zugesichert sobald klar ist, was genau benötigt wird und der Transport in die Dörfer einmal begleitet werden kann. Nachdem also die Kontaktdaten ausgetauscht sind, geht es weiter nach Odessa. Dort holen ist ein Treffen mit Aljona, sie war zu Beginn des Krieges nach Dettingen geflüchtet und ist im weiteren Verlauf aber wieder nach Odessa zurückgekehrt und arbeitet normal weiter in einem Textilunternehmen. Sie hat extra Urlaub genommen und begleitet die Helfer auf den Terminen mit der Pfadfinderorganisation Odessa »Scouts«. In Dnipro werden von einer Partnerorganisation von Ermstal hilft Zeltlager für Kinder angeboten, deren Väter im Krieg gefallen sind. Ermstal hilft möchte das gerne für die vielen geflüchteten Kinder in der Südukraine in ähnlicher Form anbieten. Um das Netzwerk weiter zu knüpfen, bespricht sich Martin Salzer mit den Pfadfindervertretern in Odessa, wie das Programm für die Kinder aussehen kann, wie es organisiert werden kann und wer welche Kosten trägt. Simon Nowotni hat mit Svetlana Krug eine gute Örtlichkeit vorgeschlagen und so waren sich alle nach zwei Stunden einig, dass es für über 50 geflüchtete Kinder und acht Tage ein tolles Zeltlager geben wird. Nachdem auf der Hinfahrt bemerkten Verlust der Kreditkarte wurde noch mal an der Tankstelle vorbeigefahren. Die Pächterin der Tankstelle hatte tatsächlich die Kreditkarte gefunden und sichergestellt. Das war wieder eines der tollen Erlebnisse mit den Menschen die sich in diesen schwierigen Zeiten für ihr Land einsetzen und dankbar für Unterstützung sind.

Schutzbunker als Klassenzimmer

Im Anschluss an dieses Gespräch wurde das Team an eine Schule eingeladen, denen Schulmöbel gebracht wurden. Zusammen mit dem Gustav-Adolf-Werk und dem Leiter der Ukraine Hilfe Ulrich Hirsch hat die Berufliche Schule Münsingen mit Unterstützung des Landratsamts Reutlingen Schulmöbel dorthin gespendet. Per Lkw wurden die ausgedienten Tische und Stühle in Münsingen abgeholt. Joachim Pfleiderer, Lehrer an der Beruflichen Schule Münsingen (BSM) hat den Kontakt mit dem Gustav-Adolfs-Werk aufgenommen. Als klar wurde, dass der kommissarischer Schulleiter fast zeitgleich ehrenamtlich mit Ermstal hilft in Odessa sein wird, wurde ein Tisch persönlich durch Martin Salzer an die Kollegen in Odessa übergeben. Eindrucksvoll wurde das Fahrerteam durch die Schule in Odessa geführt und die Schutzbunker welche als Klassenzimmer während Luftalarmen dienen gezeigt.

Am 6. August herrscht immer noch eine Ausgangssperre in der Ukraine und diese endet morgens um 5 Uhr. Das war der Startschuss Richtung Heimat, über die Republik Moldau, Rumänien, Ungarn und Österreich zurück ins Ermstal. Mit etwas Stau und langen Grenzkontrollen kommt die Gruppe am Montag, 7. August, wieder gesund an. (eg)