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Aktuell Historie

»Am Fuße der Alb herrlich gelegen«

Postkarten erzählen Geschichte: Eine Ansicht von Neuhausen aus dem Jahr 1905

Neuhausen im Jahr 1904: Die Karte ging an Oberpostassistent Ernst Weiblen. FOTO: STADT
Neuhausen im Jahr 1904: Die Karte ging an Oberpostassistent Ernst Weiblen. FOTO: STADT
Neuhausen im Jahr 1904: Die Karte ging an Oberpostassistent Ernst Weiblen. FOTO: STADT

METZINGEN. Die Karte aus dem Jahr 1905 zeigt eine Ansicht von Neuhausen aus südöstlicher Richtung. Gut zu erkennen ist rechts der Turm der Zwölfapostelkirche sowie der Dachstuhl des Pfarrhauses. Dahinter erstreckten sich damals große Felder auf den Gewannen Amtäcker-Brühl und Ösch. In der Ferne ist Metzingen zu erkennen. Bei dem Berg rechts handelt es sich um den Weinberg. Die im Vordergrund auf dem Acker stehenden Personen wurden nachträglich in das Bild hineinretuschiert, wie Metzingens Stadtarchivar Rolf Bidlingmaier berichtet.

Grüße an einen Weitgereisten

Die Karte ist an Oberpostassistent Ernst Weiblen adressiert, der damals in Metzingen tätig war. Ernst Weiblen (1882–1915) kam nicht nur durch seine Tätigkeit bei der Post weit herum. 1908 machte er – für einen Neuhäuser damals ungewöhnlich – eine Reise nach Südfrankreich an die Côte d’Azur, nach Menton und Monaco, auf die die Postkarte Bezug nimmt.

Ernst Weiblen wurde ein Opfer des Ersten Weltkriegs. Er fiel am 17. Februar 1915 in Frankreich in Vauquois, wo heute noch die Spuren der schweren Kämpfe und Sprengungen eindrücklich zu sehen sind.

Absender der Karte, so Bidlingmaier, ist sehr wahrscheinlich Robert Wacker, der Schwager von Ernst Weiblen und Salonwirt in Neuhausen. Robert Wacker schrieb am 28. November 1908: »Mein lieber Ernst! Für die beiden Karten von Monaco und Menton und Deine Besuchsanzeige danke ich Dir herzlich. Mit dem Millionärsorden ist’s scheint’s nicht so rasch gegangen. Bin schon seit circa 8 Tagen in gespannter Erwartung des pompösen Einzugs Deiner ›reichen‹ Persönlichkeit in Sulgen, doch immer noch vergebens, sodass sich schon eine geheimnisvolle Ahnung von Deinem nüchternen ›ohne, ohne Geld nach Haus‹ meiner Gedankenwelt aufdrängt.«

Und weiter heißt es: »Doch als Dein treuer Freund kann ich nicht umhin, um Deinen meines Erachtens notwendig ›an galoppierender Schwindsucht‹ gelittenen Geldbeutel wieder einigermaßen auf die Beine zu helfen, Dich an das unten stehende Dörfchen im Ermstal, am Fuße des Grünen Felsens und der Alb herrlich gelegen, alsbaldiger Zufluchtsort für fernerhin mit warmer Empfehlung zu erinnern. Ich bin fest überzeugt, daß über kurzem Du allen Grund hast, meinen Ansichten beizupflichten und daß Du mir Dein Leben lang für diesen meinen wohlgemeinten Vorschlag dankbar bist. Auf eine Beantwortung des Gegenwärtigen durch diese 5-Pfennig-Postkarte will ich nicht drängen, da es mir nicht angenehm wäre, wenn sich bei Dir unwillkürlich ein ›Geldbeutelunvermögen‹ fühlbar machen müßte. Unter der Briefmarke meine Opferfreudigkeit! Die Karte hatte ich schon lange reserviert. Wiedersehen Mitte Dezember. Nix für oguot und herzliche Grüße Dein Robert.« Die Karte hat dem Stadtarchiv Kurt Wolfer aus Dettingen zur Verfügung gestellt. (eg/GEA)

POSTKARTEN-SERIE

Im Stadtarchiv in Metzingen finden sich nicht nur alte Akten, sondern auch Postkarten. Stadtarchivar Rolf Bidlingmaier stellt einige davon in loser Folge im GEA vor und erzählt die Geschichten dahinter. Heute eine Karte die Neuhausen im Jahr 1905 zeigt. (GEA)