MÖSSINGEN. Unerfahren und eben erst flügge, hat ein Rotmilan-Jungvogel seinen vermutlich ersten Ausflug aus dem Nest fast mit dem Leben bezahlt. Zum Glück rettete ein Biolandwirt als kundiger Vogelfreund den hilflosen, abgemagerten Greifvogel vor drei Wochen bei Ringingen (Burladingen, Zollernalbkreis) auf einem Feldweg in der Nähe einer Straße. »Das hätte böse enden können für den jungen Unglücksvogel. Bei seiner Aufnahme im Nabu-Vogelschutzzentrum in Mössingen war er total abgemagert, wog nur noch 700 Gramm, war aber nicht weiter verletzt. Dank reichlicher Fütterung und guter Pflege durch unser Team ist der Vogelpatient jetzt mehr als 1.000 Gramm schwer, kerngesund und kann entlassen werden«, so Zentrumsleiter Daniel Schmidt-Rothmund.
Von einem Hang oberhalb des Zentrums konnte der imposante Greifvogel mit dem Gabelschwanz am 25. September den sicheren Abflug in die Freiheit wagen. Als Fluglotse dabei war der CDU-Landtagsabgeordnete für Hechingen und Münsingen, Manuel Hailfinger, naturschutzpolitischer Sprecher im Landtagsausschuss für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft.
Südwesten ist Rotmilan-Heimat
Aktuell leben geschätzt mehr als 3.000 Rotmilan-Brutpaare in Baden-Württemberg, Tendenz leicht steigend. Für die eleganten Segelflieger hat der Südwesten eine besondere Verantwortung. Denn hier leben rund 15 Prozent der gesamtdeutschen Population. Dass der Rotmilan aktuell Aufwind hat, ist für Zentrumsleiter Schmidt-Rothmund keine Selbstverständlichkeit: »Die Vögel finden hier an den Steilhängen des Albtraufs noch ungestörte Brutplätze im Wald und in der Nähe Felder zum Jagen. Daher ist dem Rotmilan am besten geholfen, wenn wir seine Nester bei der Forstarbeit schützen und die Zerschneidung und Überbauung der Landschaft stoppen. Auch die Konzentration der Windenergie auf für ihn unproblematische Standorte hilft dem Greif-vogel«, erläutert Nabu-Greifvogelexperte Schmidt-Rothmund.
»Die heutige Vogelfreilassung ist eine Premiere und ein besonderes Erlebnis für mich. Es freut mich, dass so nahe zu meinem Wahlkreis mit dem Nabu-Vogelschutzzentrum ein namhaftes Kompetenzzentrum für den Vogelschutz liegt. Die Natur hier am Albtrauf bietet mit ihren Wiesen, Wäldern und Feldgehölzen einen passenden Lebensraum für den Rotmilan – trotzdem dürfen wir bei seinem Schutz nicht nachlassen«, erklärt der CDU-Abgeordnete Manuel Hailfinger.
Das ist der Rotmilan
Der Rotmilan (Milvus milvus) ist mit seinen langen, kontrastreichen Flügeln und dem Gabelschwanz unverwechselbar. Mit etwa 65 Zentimetern Körperlänge und Spannweite bis 180 Zentimetern ist er größer als ein Mäusebussard. Sein Gefieder ist bräunlich, der Kopf weißlich bis grau. Sein besonderes Kennzeichen ist der lange, gegabelte, rostrote Schwanz. Er fliegt meist in scheinbar »schwerelosem« Gleitflug, ähnlich einem Spielzeugdrachen. Dabei ruft er eher selten.
Zur Beute des Rotmilans zählen Mäuse und andere Kleinsäuger, Vögel bis zur Größe von jungen Krähen, Reptilien, Amphibien und Fische. Aber auch Großinsekten und Regenwürmer stehen auf dem Speiseplan. Oft sammelt der »Rote Adler« seine Nahrung als Aas auf, beispielsweise Straßen- oder Mähopfer.
Der Rotmilan baut seinen bis zu einem Meter hohen und breiten Horst in Bäumen – oft in über 20 Metern Höhe. Sein Gelege besteht aus zwei bis drei, selten vier Eiern. Nach einer Nestlingszeit von etwa sechs bis acht Wochen werden die Jungvögel flügge, bleiben aber noch vier Wochen im Familienverband. Dann kann man manchmal die Kontaktrufe zwischen Eltern- und Jungtieren hören.
Der Bestand des Rotmilans ist in Baden-Württemberg aktuell nicht gefährdet. Trotzdem lauern auf ihn immer wieder Gefahren. Rotmilane werden illegal verfolgt, erleiden Stromschläge an ungesicherten Leitungsmasten. Häufig verunglücken sie auch an Windkraftanlagen, wenn sie in deren Nähe jagen, weshalb das Umfeld so gestaltet werden sollte, dass sie dort keine Nahrung suchen. (eg)
nabu-bw.de/Geschenkpatenschaften