TÜBINGEN. Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer kandidiert für die Liste der Freien Wähler Vereinigung (FWV) im Wahlkreis Tübingen bei der Kommunalwahl in Baden-Württemberg am 9. Juni 2024. Über seine Motivation sagte er am Montag in Tübingen: »Es geht ums Geld.« Für das kommende Jahr seien 60 Millionen Euro an Kreisumlage geplant. Im Kreistag könne er die Höhe der Kreisumlage mitbestimmen und darüber, wie viel Geld in seine Stadt für Projekte zurückfließe. Es sei sinnvoll, wenn der Oberbürgermeister im Kreistag sitze.
Palmer (51) ist seit 2007 Oberbürgermeister in Tübingen. Im Oktober 2022 war er als unabhängiger Kandidat bei der OB-Wahl angetreten und auf Anhieb wiedergewählt worden - er trat seine dritte Amtszeit an. Im Mai dieses Jahres war der Politiker nach einem Eklat um die Verwendung des N-Wortes bei einer Migrationskonferenz in Frankfurt bei den Grünen ausgetreten. Schon vorher ruhte seine Mitgliedschaft wegen provokativer Äußerungen. Den Juni über hatte er sich einmonatige Auszeit genommen. Dabei hatte er auch professionelle Hilfe in Anspruch genommen.
»Stimmenlokomotive« für die Freien Wähler
Der Fraktionsvorsitzende der FWV im Kreistag, Thomas Hölsch, sagte, Palmer sei eine »Stimmenlokomotive« für die Freie Wähler Vereinigung. »Wir freuen uns, dass der Boris Palmer nächstes Jahr bei uns eintritt und natürlich ein möglichst gutes Ergebnis für den Wahlkreis 1 für Tübingen einfährt und auch für die gesamte Fraktion.« Die FWV möchte bei der nächsten Kommunalwahl stärkste Fraktion im Kreistag werden. Dort hat die Freie Wähler Vereinigung derzeit 16 Sitze, stärkste Kraft sind derzeit die Grünen mit 18 Sitzen. Palmer sagte, sein Ziel sei es nicht, die Grünen zu schwächen.
Die Kreisfinanzen sind laut Palmer in einem tiefen Sinkflug - und die Gemeinden würden mitgerissen. »Die Verantwortung für diesen Sinkflug tragen Land und Bund. Denn sie übertragen uns immer mehr Aufgaben, die wir bezahlen sollen, aber nicht bezahlen können. Und da stehen harte Verteilungskämpfe ins Haus«, sagte Palmer. Ein Engagement im Kreistag habe er sich früher auch schon überlegt. »Aber es kam gar nicht infrage, weil bei meiner früheren Parteimitgliedschaft klar war, dass die Grundlinie der Partei lautet: Bürgermeister raus aus dem Kreistag.«
Kein Bedürfnis einer Partei beizutreten
Sein Bedürfnis, einer Partei beizutreten, sei im Moment nahe null, sagte Palmer. Die einzige Gruppierung, in der man nicht Parteimitglied werden müsse, nicht Mitglied einer bundespolitischen Organisation werden müsse im Kreistag von Tübingen, sei die Freie Wähler Vereinigung. »Ganz simpel«, sagte Palmer.
Die Freie Wähler Vereinigung (FWV) hat nach den Worten von Hölsch mit der Partei Freie Wähler nichts zu tun. Die FWV sei in den 50-er Jahren entstanden. Nachdem sich die Bundesvereinigung Freie Wähler im Jahr 2010 konstituiert hatte, wollte die FWV den Namen »Freie Wähler« schützen lassen, weil es eine mögliche Verwechslungsgefahr als schädlich für sich befürchtete. Doch das Landgericht Nürnberg-Fürth entschied im Jahr 2010 dagegen. Danach durfte die Bundesvereinigung der Freien Wähler den Begriff »Freie Wähler« für sich verwenden. (dpa)