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Tübinger Landrat erklärt Kanzlerin Merkel, was Kindern nicht noch mal angetan werden darf

Für stark förderbedürftige Kinder und Jugendliche gibt es im August Nachhilfe mit maximal 30 Schulstunden

In kleiner Runde setzte sich Landrat Joachim Walter bei Kanzlerin Angela Merkel dafür ein, Schul- und Kita-Schließungen künftig
In kleiner Runde setzte sich Landrat Joachim Walter bei Kanzlerin Angela Merkel dafür ein, Schul- und Kita-Schließungen künftig zu vermeiden. FOTO: PIETH
In kleiner Runde setzte sich Landrat Joachim Walter bei Kanzlerin Angela Merkel dafür ein, Schul- und Kita-Schließungen künftig zu vermeiden. FOTO: PIETH

TÜBINGEN. In der Schule darf man nicht einfach so fehlen, und auch nicht im Kreistag. Deshalb holte sich Landrat Joachim Walter die Zustimmung der Mitglieder des Sozial- und Kulturausschusses, dass er die Sitzung frühzeitig um 17.15 Uhr verlassen müsse. Der Grund dafür sorgte für einstimmigen Dispens. Walter wollte an einer Videokonferenz teilnehmen mit insgesamt acht Personen. »Da fällt es auf, wenn jemand fehlt.«

Und da eine dieser anderen Personen Kanzlerin Angela Merkel war, durfte Walter zur angegebenen Zeit den Raum verlassen, um der Kanzlerin zu erklären, dass, »egal wie die Inzidenzen sind«, den Kindern und Jugendlichen »nicht noch mal so etwas angetan werden darf« wie die Schließung der Kindergärten und Schulen.

Sein »Schlaglicht aus der Praxis« sei von der Kanzlerin interessiert aufgenommen worden, so der Eindruck Walters von dem Gespräch. Die Kanzlerin hätte zugesichert, dass sie sich dafür einsetzen werde, Schließungen zu verhindern.

Auf dieses Thema einstimmen konnte sich Walter auch durch den zweiten Tagesordnungspunkt, der noch vor seinem Abgang behandelt wurde. Es ging darin um die coronabedingte außerschulische Lernförderung in den kommenden Sommerferien. Laut einer Studie des Münchner Ifo-Instituts gibt es bei 20 Prozent der Schüler und Schülerinnen einen stark erhöhten Förderbedarf.

Der Bund hat darauf reagiert und stellt Geld zur Verfügung für Nachhilfe von Kindern derjenigen Familien, die Leistungen nach dem Bildungs- und Teilhabepaket beziehen. »Ich bin überzeugt, dass das Programm ins Leere laufen wird, wenn wieder die Schulen und Kitas schließen«, meinte Walter, der verhindern will, dass dies geschieht.

Kreissozialdezernent Horst Lipinski sieht das neue Programm, das in der Zeit vom 2. bis 29. August umgesetzt werden soll mit maximal 30 Schulstunden Förderunterricht in den Fächern Mathematik, Naturwissenschaften und Fremdsprachen, auch als Fortsetzung eines EU-Projektprogramms vom März, mit dem Jugendlichen der Übergang in Schule und Beruf erleichtert werden sollte durch Ausbilldungslotsen. Im zweiten Halbjahr dieses Jahres werden auch junge Erwachsene unterstützt, die noch Qualifizierungsbedarf haben, weil ihnen etwa Praktika weggebrochen sind.

Bund trägt die Kosten

Für das neue Angebot, das sich »#lernstarkMitBuT – Lernsommer 2021« nennt, wurden bereits 2 885 Kinder und Jugendliche angeschrieben, die einen Gutschein für die Lernförderung beantragen könnten. Gerechnet wird mit einem Rücklauf von 15 Prozent, also rund 450 Kindern und Jugendlichen.

Die Gesamtkosten von dann rund 180 000 Euro trägt zunächst mal der Kreis, er kann sie aber in vollem Umfang mit dem Bund abrechnen.

Der Kreis will die Bausteine des Bildungs- und Teilhabepakets auch weiter stark bewerben, auch über schulinterne digitale Plattformen und über die Vereine. Es gehe um »passgenaue und niedrigschwellige Angebote«, sagt Iris Ackermann, Leiterin der Abteilung Soziales beim Landratsamt. Mit denen werde auch der Start ins Schuljahr 2021/2022 erleichtert.

Dr. Emanuel Peter (Linke) sieht das Sommerförderungsprogramm nur als »Tropfen auf den heißen Stein«. Er bezweifelte, dass man zwei Schuljahre in 30 Stunden aufholen kann, worin ihm Landrat Walter zustimmte, aber so sei es auch nicht gedacht. Peter sorgte sich aber hauptsächlich auch darum, dass der soziale Kompetenzbereich bei heranwachsenden in der Coronazeit nicht so gewachsen ist wie sonst, was eben nicht so aufholbar ist wie Schulstoff.

Horst Lipinski hält die Lernförderung von bis zu 30 Stunden trotzdem für einen wichtigen Schritt. »Aber im Herbst muss es natürlich weitergehen.« (GEA)