TÜBINGEN. In seiner neunten Haushaltsrede als Fraktionschef des FWV im Kreistag schilderte Thomas Hölsch die Prognosen zur finanziellen Lage der Städte und Gemeinden im Kreis Tübingen als »noch nie so besorgniserregend« – sie hätten ihre Finanzhoheit eingebüßt: »Die kommunale Realität muss die Leitlinie für die Rechtssetzung in Brüssel, Berlin und Stuttgart sein.« Daher forderte er von der Kreisverwaltung die Kreisumlage nicht gravierend zu erhöhen.
Der FWV-Antrag, Einnahmen des Kreises durch Land und Bund in die Reduzierung des Mehrbedarf der Kreisumlage zu stecken, wurde mehrheitlich angenommen. Der Defizitanteil solle hälftig von Städten und Gemeinden auf der einen und dem Kreis auf anderer Seite übernommen werden. Der neue Hebesatz der Kreisumlage steigt von 31,09 Prozent auf 32,53 Prozent im kommenden Jahr.
Preiserhöhung für Jugend-Deutschlandticket unvermeidbar
Simon Baur, Sprecher der Grünen-Fraktion, bedauerte, dass es angesichts der Haushaltslage nicht gelungen sei, Preise für die Beförderung von Schülerinnen und Schülern niedrig zu halten. Zuvor hatte der Kreistag nach teils hitziger Debatte beschlossen, den Preis für das deutschlandweit geltende Jugendticket von 34,50 Euro auf 43 Euro zu erhöhen, um das entstehende Defizit mit 54.000 Euro gering zu halten.
Linke und Grüne hatten eine Senkung der Ticketgebühr beantragt. Erstere hätten ein Defizit von 560.000 Euro, letztere ein Defizit von 292.000 Euro für die Kasse des Kreises in Kauf genommen, um den Ticketpreis niedrig zu halten und dadurch die Eltern zu entlasten. Verweise auf die Stadt Tübingen trugen nicht – die Kreisstadt selbst muss den Preis um neun Euro anheben.
Preissteigerungen in allen Lebensbereichen machen zu schaffen
Angesichts steigender Personalkosten, dafür muss der Kreis rund 7,6 Millionen mehr berappen, befürchtete CDU-Fraktionschef Stephan Neher man müsse Stellen einsparen – und das trotz steigendem Arbeitspensum. Beim ÖPNV, so Neher, müsse man darüber nachdenken, ob man die bisherigen hohen Standards halten könne und wolle.
SPD Fraktionschef Hendrik Bednarz sprach die Steigerung der Sachkosten an, speziell in der Baubranche. Er forderte auf, die Strukturen zu überprüfen, ob etwa öffentliche Mittel auch stets die geplanten Ziele erreichten oder nicht. »Lasten müssen gerecht aufgeteilt werden«, forderte Bednarz. Dazu gehöre, Pflegeeltern besser als bisher zu bezahlen.
ÖPNV zu verbessern fällt angesichts von Sparzwängen schwer
Für Wolfram Schillinger (AfD) ist die geplante Regionalstadtbahn keine heilige Kuh: »Die Millionen könnten auch woanders Sinn machen.« Margrit Paal (Linke) schlug vor: »Löhne hoch, Mieten deckeln oder senken«, um kommunale Ausgaben zu senken. Der Haushalt für kommendes Jahr sei jetzt schon »legendär«, es drohe Regelverwaltung.
Laut Markus Vogt (Sehr Gute Fraktion) sei Geld aktuell nicht das Ressourcenproblem, sondern der Fachkräftemangel. Fraktionskollegin Tanja Leinweber sagte, ein guter ÖPNV sei wichtiger als die Sanierung von Straßen. Der SGF-Antrag, einen Fahrgastrat zu installieren, fiel später dem Spargedanken des Gremiums zum Opfer. Die FDP stellte »in Tradition des unvergessenen Dietmar Schöning«, so Max-Richard Freiherr Rassler zu Gamerschwang, keinen Antrag.
Der Rotstift trifft vor allem Projekte für Kinder und Jugendliche
Das Gremium vertagte eine Entscheidung um die Förderung der Kindertagespflege im Kreis: Dort, so der SPD-Antrag, sollen die Geldleistungen ab 1. September 2025 um einen Euro auf 8,50 Euro pro Kind und Stunde angehoben werden. »Das ist angemessen«, sagte Maximilian Föll. Damit, so Fraktionskollegin Desiree Sallwey, soll auch das Gefälle zum Zollern-Alb-Kreis von aktuell zwei Euro Unterschied angeglichen werden.
Zu den Sparopfern des Gremiums gehören die Aktion »Kinder stark machen« der Sophienpflege – die Finanzierung durch den Landkreis Tübingen wird nicht fortgesetzt – und die kit Jugendhilfe des Tübinger Vereins für Sozialtherapie bei Kindern und Jugendlichen, für die ein Investitionskostenzuschuss beantragt worden war. Ebenso mehrheitlich abgelehnt wurde das kreisweite Sozialticket, eine Subventionierung des Deutschlandtickets, das Erwachsene für 15 Euro, Jugendliche für zehn Euro hätten erwerben könne, wenn dieser Antrag durchgegangen wäre.
Am Ende wurde der Haushalt mit einer breiten Mehrheit bei fünf Gegenstimmen und zwei Enthaltungen beschlossen. (GEA)