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Tübinger Astrophysiker entdecken ungewöhnliches Objekt

Astrophysiker der Universität Tübingen machen eine Entdeckung im Zentrum des Supernovaüberrests

Eine Sternschnuppe leuchtet im November neben der Milchstraße am Himmel.  SYMBOLBILD: BALK/DPA
Eine Sternschnuppe leuchtet im November neben der Milchstraße am Himmel. SYMBOLBILD: BALK/DPA Foto: dpa
Eine Sternschnuppe leuchtet im November neben der Milchstraße am Himmel. SYMBOLBILD: BALK/DPA
Foto: dpa

TÜBINGEN. Der leichteste bisher bekannte Neutronenstern steht im Zentrum des Supernovaüberrests. Die Doktoren Victor Doroshenko, Valery Suleimanov, Gerd Pühlhofer und Professor Andrea Santangelo von der Abteilung Hochenergieastrophysik am Institut für Astronomie und Astrophysik der Uni Tübingen entdeckten das ungewöhnliche Objekt mithilfe von Röntgenteleskopen im All.

Nach Berechnungen des Forschungsteams besitzt er nur etwa die Hälfte der Masse eines typischen Neutronensterns. Als Berechnungsgrundlage nutzte es neue Entfernungsmessungen zu einem Begleitstern, den das gleiche Team bereits früher entdeckt hatte. So konnten die Astrophysiker Masse und Radius des Neutronensterns mit bisher unerreichter Genauigkeit angeben. Ihre Studie wurde in der Fachzeitschrift »Nature Astronomy« veröffentlicht.

Neutronensterne werden geboren, wenn normale Sterne mit großer Masse in der Explosion einer Supernova »sterben«, berichtet Victor Doroshenko, der Hauptautor der Studie. Sie seien extreme Objekte, die sozusagen als Himmelslabore für Studien der physikalischen Grundlagenforschung genutzt werden können. »Neutronensterne weisen noch unbekannte Eigenschaften von Materie auf, sie haben eine viel höhere Dichte als Atomkerne«, sagt der Forscher. Solche Bedingungen könnten in irdischen Laboren nicht nachgebildet werden.

»Erst dadurch wurde der sich abkühlende Neutronenstern sichtbar«

»Beobachtungen von Neutronensternen im All mit Röntgen- oder anderen Teleskopen werden uns erlauben, die Rätsel der superdichten Materie zu lösen – zumindest, wenn wir Herausforderungen wie die bei der Beobachtung entstehende Unschärfe bei den Entfernungsmessungen in den Griff bekommen. Genau das ist uns nun gelungen.«

Der Neutronenstern im Zentrum des Supernovaüberrests (HESS J1731-347) war einer von einer Handvoll von Objekten, die bei Messungen der Gammastrahlung mit den Hess-Teleskopen in Namibia entdeckt und anschließend durch Röntgenteleskope aus dem All untersucht wurden, berichtet Doroshenko. »Erst dadurch wurde der sich abkühlende Neutronenstern sichtbar«, setzt Gerd Pühlhofer hinzu. Die Besonderheit dieses Objekts ist, wie das gleiche Forschungsteam bereits früher festgestellt hatte, dass es mit einem weiteren Stern physikalisch verbunden ist.

Er beleuchtet die Staubhülle um den Neutronenstern und taucht sie in infrarotes Licht. Der Begleitstern wurde kürzlich durch das Gaia-Weltraumteleskop der Europäischen Raumfahrtagentur beobachtet, was dem Forschungsteam eine akkurate Entfernungsmessung zu beiden Objekten lieferte. Bei der Gaia-Mission wird der Himmel hochgenau dreidimensional optisch durchmustert. »Dadurch konnten wir vorherige Ungenauigkeiten beheben und unsere Modelle verbessern. Masse und Radius des Neutronensterns ließen sich viel genauer bestimmen, als es bisher möglich war«, erklärt Valery Suleimanov aus der Theoretischen Astrophysik.

»Das ist aktuell der vielversprechendste Quarkstern-Kandidat, den wir bisher kennen«

Noch sei nicht klar, wie sich das ungewöhnliche Objekt gebildet hat. Auch gebe es Zweifel, ob es sich tatsächlich um einen Neutronenstern handelt oder ob das Objekt Kandidat für ein noch viel exotischeres Objekt ist, das aus seltsamer Quark-Materie besteht, sagt Andrea Santangelo und setzt hinzu: »Das ist aktuell der vielversprechendste Quarkstern-Kandidat, den wir bisher kennen, auch wenn seine Eigenschaften mit denen eines ›normalen‹ Neutronensterns übereinstimmen.«

Doch selbst in dem Fall, dass es sich bei dem Objekt im Zentrum von Hess J1731-347 um einen Neutronenstern handele, bleibe es ein besonders interessantes Objekt. »Es erlaubt uns, den noch unerforschten Teil des Parameterraums in der Masse-Radius-Ebene von Neutronensternen zu untersuchen. So erhalten wir wertvolle Hinweise auf die Zustandsgleichung der dichten Materie, mit der sich ihre Eigenschaften beschreiben lassen«, schließt Santangelo. (pm)