TÜBINGEN. Der Verlag Ravensburger erntet heftige Kritik für die Entscheidung, die Kinderbücher »Der junge Häuptling Winnetou« zum gleichnamigen Film nach Rassismusvorwürfen nicht mehr zu verkaufen. Auf Instagram, Facebook und Twitter äußern hunderte Nutzer ihr Unverständnis. Sie werfen der Firma vor, Zensur zu betreiben und vor der Kritik einer Minderheit einzuknicken. Auch Boris Palmer ist empört und meldet sich auf Facebook zu Wort.
»Karl May mit dem Bannstrahl zu belegen, ist Ausdruck eines verfehlten Verständnisses von Kunst und Kultur. Diese darf natürlich mit heutigen Erkenntnissen und Methoden kritisiert werden. Aber ihre Verbreitung zu unterbinden, ist ein kulturelles Sakrileg«, sagt der OB. Mit der Entscheidung stelle man Kunst und Kultur in den Dienst einer politischen Ideologie, die eine andere Sicht nicht mehr zulassen wolle. »Wenn dieser Prozess nicht bald gestoppt wird, landet noch viel mehr auf dem Index als nur Winnetou. Es geht um die liberale Gesellschaft und die Freiheit der Kunst.«
»Wenn dieser Prozess nicht bald gestoppt wird, landet noch viel mehr auf dem Index als nur Winnetou. Es geht um die liberale Gesellschaft und die Freiheit der Kunst.«
Ravensburger begründete die Entscheidung auf Instagram mit dem Feedback der Nutzer, das gezeigt habe, »dass wir mit den Winnetou-Titeln die Gefühle anderer verletzt haben«. Genau dies kritisiert Palmer scharf: »Für unsere Demokratie ist das besorgniserregend. Eine Minderheit bestimmt durch lauten Protest, was die Mehrheit lesen darf.« Palmer selbst hat nach eigenen Angaben in seiner Kindheit 70 Bände – also fast alle – von Karl May gelesen. »In meiner Erinnerung sind die Weißen bei Karl May meistens dabei die Bösen. Old Shatterhand ist die löbliche Ausnahme.«
Ein Sprecher von Ravensburger verteidigt die Entscheidung gegenüber dem GEA: »Wir vertreten in unserem Unternehmen und mit unseren Produkten seit langer Zeit Werte, an die wir glauben: unter anderem Gemeinsamkeit und Bildung, wozu auch Fairness und Offenheit gegenüber anderen Kulturen gehören.« Dies wolle der Verlag in seinem Programm ausgewogen darstellen. Nach der Abwägung verschiedener Argumente sei man zu der Überzeugung gelangt, dass in den Büchern ein romantisierendes Bild mit vielen Klischees gezeichnet wird, dass der geschichtlichen Realität samt Unterdrückung der indigenen Bevölkerung nicht entspricht.
Vor diesem Hintergrund wolle man als Verlag keine verharmlosenden Klischees wiederholen und verbreiten, auch wenn Ravensburger den Grundgedanken der Freundschaft, der bei Winnetou vorhanden sei, sehr schätze. (GEA)