MÖSSINGEN. Sie treten der Vereinsamung entgegen und besuchen ältere Menschen. Allerdings sind viele Ehrenamtliche, die sich im Öschinger Besuchsdienst engagieren, mittlerweile selbst in die Jahre gekommen. »Wir brauchen dringend Nachwuchs«, sagte Brunhild Seitz beim ersten Arbeitstreffen nach fast zwei Jahren Corona-Pause. Mit ihr zusammen sind Ellen Haug und Marianne Bihler am längsten im Besuchsdienst der evangelischen Kirche aktiv: 30 Jahre, seit der Gründung im Jahr 1991. »Wir waren der erste Besuchsdienst im Landkreis Tübingen«, sagt Seitz.
Die frühere Lehrerin ist die Hauptorganisatorin und erhielt für das freiwillige Engagement jüngst die Mössinger Ehrennadel. Die 80-Jährige lebt seit über 50 Jahren in Öschingen und hat drei Söhne, sieben Enkelkinder und einen Urenkel. Weil alle weiter weg wohnen, sieht sie die Familie selten. »Jeder Besuch, den ich selbst bekomme, ist eine große Freude«, sagt Seitz.
Derzeit betreut sie im Besuchsdienst eine 101-jährige Frau, mit der sie seit Jahren in Kontakt ist. »Wenn wir bei unseren Arbeitstreffen von einer alleinstehenden Person erfahren, schauen wir, wer passen könnte«, so Seitz. Derzeit gehören dem Besuchsdienst elf Frauen und ein Mann an. Besucht werden ältere Menschen – unabhängig von ihrer Religion.
In den vergangenen eineinhalb Jahren mussten die Besuche teils ausgesetzt, teils angepasst werden. »Manche hatten Angst, andere wollten erst recht«, berichtet Seitz. Neue Ehrenamtliche sollten vor allem auf Menschen zugehen und auf sie eingehen können. Und schweigen. »Wir haben eine strenge Verpflichtung zu Verschwiegenheit«, sagt Seitz. Einen Austausch gebe es nur innerhalb des Besuchsdienstes und mit dem Pfarrer.
An schwierige Situationen kann sie sich kaum erinnern. Hin und wieder vermitteln die Ehrenamtlichen bei Konflikten, zum Beispiel zwischen ihren Schützlingen und deren Angehörigen, hin und wieder tragen sie einfach einen Blick von außen auf Probleme bei. »Wichtig ist das regelmäßige Kommen«, sagte Seitz. Es gebe einen festen Rhythmus, der individuell festgelegt werde, beispielsweise alle 14 Tage oder alle drei Wochen. Jeder Ehrenamtliche besucht nur einen, höchstens zwei Ältere. »Die Menschen freuen sich, wenn jemand kommt«, so Seitz.
Der Pfarrer könne das allein unmöglich leisten. Über die Zeit entwickle sich oft eine enge Beziehung. »Das tut gut.« Die Begleitung dauere bis zum Tod. Manchmal seien das nur Wochen, oft Jahre, in einigen Fällen sogar Jahrzehnte. Seitz selbst hat in 30 Jahren erst neun Öschinger im Rahmen ihres Dienstes besucht. »Am Ende sind wir fast ein Hospizdienst«, sagt Seitz. Das könne nicht jeder gleich gut verkraften.
Deshalb gibt es immer wieder Seminare, Workshops und Vorträge zu Themen wie Demenz, Gesprächsführung und Trauer, bei denen sich die Ehrenamtlichen weiterbilden. Jeder bringt seine eigene Persönlichkeit ein. Seitz ist zum Beispiel sehr naturverbunden, arbeitet gerne im Garten und ist oft in der Natur. Ans Aufhören denkt sie noch lange nicht: »Es gibt noch viel zu tun.« (GEA)