MÖSSINGEN. Gäbe es im Steinlachtal noch eine Monarchie, dann würde man jetzt um einen König trauern: Der »Kronenheiner« ist gestorben. Heinrich Fischer, Seniorchef des nach der Familie benannten Mössinger Brauhauses und seiner vielen Biersorten, ist im Alter von 84 Jahren nach längerer Krankheit am Mittwoch aus dem Leben geschieden.
Der weit über die Stadtgrenzen hinaus bekannte und geschätzte Unternehmer war, wenn auch nicht mit seinem Namen, dann doch mit seinem Bier in fast »aller Munde«. Jahrzehntelang stand er dem Familienbetrieb vor, der Mössingens Name hektoliterweise in und über das Steinlachtal hinaus verbreitete. Vollmundig, wie der Braumeister selbst, wohlschmeckend sowieso. Ohne Heiner, wie ihn Freunde nennen durften, konnte kein Dorf- oder Stadtfest stattfinden. Denn ohne ein Fässchen mit Mössinger Bier ging nichts. Erst wenn er den Bürgermeistern den braunen Brauhaus-Schurz umgelegt, den Holzhammer geholt, die Spunden aus der Tasche gezogen und die mausgrauen Tonkrüge bereitgestellt hatte, konnte die große Sause beginnen.
Wie einst die württembergischen Monarchen stiftete er seinen Mitbürger ebenfalls ein Volksfest. Mit dem beliebten Brauhausfest im Mai beendete Fischer die jahrelange Vakanz der Frühlingsfeste, die es früher mit Rummel auf der Langgaß gab.
Jüngster Braumeister im Land
Den Grundstein legte Heinrich Fischer senior mit dem Kauf der stillgelegten »Kronenbrauerei« im Jahr 1938. Er ließ damit eine mehr als 200-jährige Brautradition in Mössingen wieder aufleben. Seine Frau Hildegard führte die Gaststätte Krone. Als 1960 Heinrich Fischer senior unerwartet starb, übernahm sein Sohn Heinrich Fischer junior mit 20 Jahren die Geschäfte – als jüngster Braumeister Baden-Württembergs. Er setzte voll auf Regionalität: »Bierzutaten brauchen Heimat und Nähe.« Seinen mehrfach bundesweit mit Gold und Silber ausgezeichneten Biersorten gab er regionale Namen wie »Dreifürstensteinpils« oder nennt sie selbstironisch-kultig »Heinerle«. Gemäß dem Hausmotto »Was wir betreiben, muss auch uns gehören«, sammelt Fischer Gaststätten wie andere Leute Bierdeckel. Da sei er schon »durch und durch Schwabe.«
Ehefrau Irmgard, aus der Biberacher Brauereifamilie Hangele, übernahm 1971 das erste in Mössingen erbaute Hotel Garni; modernisierte es 30 Jahre später. Bereits 1992 eröffnete Fischer in Tübingen die wiederbelebte »Neckarmüllerei« durch die älteste Tochter Petra Ott-Fischer als Gasthof- und Erlebnisbrauerei. 1996 ließ die jüngste Tochter Andrea Fischer-Ulbrich einen Getränkemarkt neben der Brauerei errichten. Bruder Tobias Fischer, hochdekorierter Braumeister und Betriebswirt, übernahm immer mehr Verantwortung im Hauptbetrieb. Heiner wollte nur ungern kürzertreten. Witzig-originell, wie er war, nannte er es: »Einleitung eines sanften Unternehmens-Übergabeprozesses«. Er wird aber weithin alles im Blick haben: Der Friedhof liegt gegenüber seines geliebten Brauhauses. (mey)