MÖSSINGEN. Sie fliegen gegen Rotoren von Windrädern, sie erleiden Gehirnerschütterungen, werden durch Stromschläge verletzt oder sind einfach zu schwach zum Überleben: im Vogelschutzzentrum in Mössingen (Kreis Tübingen) werden immer wieder Rotmilane betreut, gepflegt und aufgepäppelt. Einer der gefiederten Schützlinge konnte am Dienstag nach sechs Wochen in der Pflege wieder in die Freiheit entlassen werden.
»Er kam aus Wernau geschwächt zu uns und brauchte unsere Hilfe, um wieder ein bisschen 'was auf die Rippen zu bekommen«, sagte eine Pflegerin. In der freien Natur hätte er in seinem Zustand kaum eine Chance gehabt zum Überleben: »Mehr als jeder zweite Jungvogel eines Jahrgangs packt es nicht«, sagte Daniel Schmidt-Rothmund, der Leiter des NABU-Vogelschutzzentrums Mössingen. Aber auch im Vogelschutzzentrum sei das Überleben nicht garantiert. »Jeder dritte Vogel schafft es, zwei von drei Vögeln dagegen nicht.«
Nach Ansicht Schmidt-Rothmunds haben die Deutschen eine besondere Verantwortung, wenn es um den Rotmilan geht: Jüngeren Erhebungen zufolge wird der Bestand der Vögel, die nahezu nur in Europa vorkommen, auf 25 200 bis 33 400 Brutpaare geschätzt. Davon beherbergt Deutschland 14 000 bis 16 000 Paare, etwa 2800 bis 3400 davon in Baden-Württemberg und hier vor allem auf der Schwäbischen Alb und der Baar. Hauptgrund für die Abnahme der Bestände ist nach Einschätzung der Tierschützer die viel zu intensive Landwirtschaft, die die Nahrungsgrundlage der Vögel einschränkt.
Der Rotmilan (Milvus milvus) ist ein etwa bussard-großer Greifvogel. Das Gefieder ist bräunlich, der Kopf weißlich bis grau. Besonderes Kennzeichen ist der lange, gegabelte, rostrote Schwanz. Rotmilane bevorzugen eine abwechslungsreiche Landschaft mit kleinen Waldstücken und freien Grünflächen. Dort können die Vögel ihre Beute - kleine Nagetiere, aber auch Kleinvögel - gut aus der Luft entdecken. Das allerdings kann ihnen auch schnell zum Verhängnis werden. Denn weil der Rotmilan während des Fluges stärker als andere Vogelarten den Boden nach Kleintieren absucht, fliegt er häufig in Rotoren von Windrädern - oft mit tödlichen Folgen. (dpa/lsw)