TÜBINGEN. Der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer hat sich nach seinen umstrittenen Äußerungen in Frankfurt am Main entschuldigt und will eine Auszeit nehmen. »Die Erwähnung des Judensterns war falsch und völlig unangemessen«, schrieb er in einer persönlichen Erklärung, die der dpa vorliegt. Er entschuldigte sich darin bei den Menschen, die er enttäuscht habe. Zuvor hatte der Südwestrundfunk (SWR) darüber berichtet. »Eines ist mir klar: So geht es nicht weiter«, schrieb Palmer. »Die wiederkehrenden Stürme der Empörung kann ich meiner Familie, meinen Freunden und Unterstützern, den Mitarbeitern in der Stadtverwaltung, dem Gemeinderat und der Stadtgesellschaft insgesamt nicht mehr zumuten.«
Palmer hatte am Freitag mit einer verbalen Auseinandersetzung mit einer Gruppe vor einer Migrationskonferenz in Frankfurt am Main für Aufsehen gesorgt. Vor einem Gebäude der Goethe-Universität hatte er zu Art und Weise seiner Verwendung des »N-Wortes« Stellung bezogen.
Als er mit »Nazis raus«-Rufen konfrontiert wurde, sagte Palmer zu der Menge: »Das ist nichts anderes als der Judenstern. Und zwar, weil ich ein Wort benutzt habe, an dem ihr alles andere festmacht. Wenn man ein falsches Wort sagt, ist man für euch ein Nazi. Denkt mal drüber nach.« Mit dem sogenannten N-Wort wird heute eine früher in Deutschland gebräuchliche rassistische Bezeichnung für Schwarze umschrieben.
Palmer kündigte nun an, in einer Auszeit »professionelle Hilfe« in Anspruch zu nehmen und »meinen Anteil an diesen zunehmend zerstörerischen Verstrickungen aufzuarbeiten«. »Wenn ich mich zu Unrecht angegriffen fühle und spontan reagiere, wehre ich mich in einer Weise, die alles nur schlimmer macht.« Solange er nicht sicher sei, neue Mechanismen der Selbstkontrolle zu beherrschen, die ihn vor Wiederholungen sicherten, werde er »alle Konfrontationen mit ersichtlichem Eskalationspotenzial durch Abstinenz vermeiden«. »Das betrifft Themen und Veranstaltungen und alle Arten öffentlicher Äußerungen gleichermaßen.«
Palmer für Äußerungen heftig kritisiert
Tübingens OB schrieb darüber hinaus in seiner Erklärung: »Niemals würde ich den Holocaust relativieren, wie kritisiert wurde. Dass dieser Eindruck ohne Kenntnis der Hintergründe entstehen konnte, obwohl auch in meiner eigenen Familie die Zeit des Nationalsozialismus ihre Spuren hinterlassen hat, tut mir unsagbar leid.«
Palmer war für seine Äußerungen in Frankfurt am Main heftig kritisiert worden. Unverständnis gab es nicht nur bei den Beteiligten in der Stadt, sondern auch in Baden-Württemberg. Anwalt Rezzo Schlauch wandte sich von Palmer ab, der Tübinger Grünen-Stadtverband ging auf Distanz, und die Gruppe »Vert Realos« - ein Zusammenschluss sogenannter Realpolitiker bei den Grünen - will künftig ohne Palmer weiterarbeiten. (dpa)