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»Klaus macht im Gedeihen nette Fortschritte«

Postkarten erzählen Geschichte: Heute eine Ansicht von Metzingen aus dem Jahr 1930

Metzinger Stadtansicht von Westen: Postkarte aus dem Jahr 1930. FOTO: STADT
Metzinger Stadtansicht von Westen: Postkarte aus dem Jahr 1930. FOTO: STADT
Metzinger Stadtansicht von Westen: Postkarte aus dem Jahr 1930. FOTO: STADT

METZINGEN. Überschaubar groß, von Wiesen und Feldern umgegeben: Metzingen um 1930. Die Postkarte zeigt aber noch mehr. Wer genau hinsieht, erkennt alleine auf dieser Ansicht acht Kamine, Kamine, die für die Industrialisierung sprechen. Die Karte stammt aus dem Stadtarchiv und wurde 1937 verschickt. Im Text auf der Rückseite ist auch der spätere Außenminister Dr. Klaus Kinkel erwähnt, wie Stadtarchivar Rolf Bidlingmaier berichtet. Die Postkarte zeigt einen Blick auf Metzingen aus westlicher Richtung. Das Bild wurde zu Beginn der 30er-Jahre aufgenommen. Im Vordergrund links ist die Brauerei Bräuchle zu erkennen. Dahinter ragt der Kamin der Firma Gaenslen & Völter auf. In der Bildmitte ist die Martinskirche zu sehen, weiter rechts die Lederfabrik Robert Bräuchle.

Im Hintergrund rechts liegt Neuhausen und weiter entfernt hinten links Dettingen. Beim Blick in das Ermstal und zu den Bergen des Albtraufs fallen die damals vorhandenen großen Feld- und Wiesenflächen auf. Und die relativ hohe Anzahl an Industriekaminen. Die Postkarte wurde am 11. Januar 1937 von Maria Forster an ihre Eltern und Geschwister nach Schwäbisch Gmünd geschickt.

Der Vater Eduard Forster war Silberwarenfabrikant. Die Absenderin schrieb ihrer Familie, dass sie täglich auf einen Brief von der Familie warte, und sie immer enttäuscht sei, wenn sie keinen erhalte. »Ich möchte doch auch gerne wissen, wie Ihr des lieben Vaters Geburtstag, Ottos Verlobung und Sylvester gefeiert habt.«

Der spätere Außenminister

Maria Forster arbeitete als Kindermädchen bei der Familie des Arztes Dr. Ludwig Kinkel. Dr. Kinkel praktizierte von 1934 bis 1938 in Metzingen und wohnte in der Helferstraße 23. Im Winter 1936/37 gab es in Metzingen eine Grippewelle. »Hier geht sehr stark die Grippe um und Herr Dr. kommt fast nicht um mit den Besuchen. Mir geht es und gefällt es hier recht gut.« Ein Sohn der Familie Kinkel war Dr. Klaus Kinkel (1936-2019), der ehemalige Außenminister, Bundesjustizminister und FDP-Vorsitzende. Er wurde am 17. Dezember 1936 in Metzingen geboren und war damals wenige Wochen alt. Über ihn schreibt Maria Forster: »Klaus macht im Gedeihen nette Fortschritte und gestern bin ich mit ihm in Begleitung von Frau Dr. und Tante Kinkel zum ersten Mal bei herrlichem Wetter ausgefahren.«

Mit dem Hausmädchen der Familie machte sie einen Besuch in Reutlingen. »Reutlingen ist eine sehr schöne Stadt mit großen Läden in schönen Auslagen. Mittags waren wir im Café und abends wären wir noch ins Kino gegangen, doch wurde nichts uns Passendes gegeben. Heute haben wir hier den Tag der ewigen Anbetung.« Dies lässt eine tiefe Verbundenheit von Maria Forster mit der katholischen Kirche erkennen, erklärt der Metzinger Stadtarchivar. (eg/GEA)

POSTKARTEN-SERIE

Im Stadtarchiv in Metzingen finden sich nicht nur alte Akten, sondern auch Postkarten. Stadtarchivar Rolf Bidlingmaier stellt einige davon in loser Folge im GEA vor und erzählt die Geschichten dahinter. Heute eine Ansicht der Stadt aus den 1930er-Jahren.