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Klage von McDonald's abgewendet: Tübingen darf Verpackungssteuer erheben

Die Stadt Tübingen geht mit einer Verpackungssteuer auf eigene Faust gegen Vermüllung durch Einwegbecher und Essensverpackungen vor. Dafür hat sie jetzt Bestätigung vom Bundesverwaltungsgericht erhalten.

Eine Auswahl an McDonald·s-Verpackungsmaterial liegt zu Demonstrationszwecken im Verhandlungssaal des baden-württembergischen Ve
Eine Auswahl an McDonald·s-Verpackungsmaterial liegt zu Demonstrationszwecken im Verhandlungssaal des baden-württembergischen Verwaltungsgerichtshofs auf dem Tisch der Anwälte der Stadt Tübingen. Foto: Uwe Anspach/dpa
Eine Auswahl an McDonald·s-Verpackungsmaterial liegt zu Demonstrationszwecken im Verhandlungssaal des baden-württembergischen Verwaltungsgerichtshofs auf dem Tisch der Anwälte der Stadt Tübingen.
Foto: Uwe Anspach/dpa

TÜBINGEN. Die Universitätsstadt Tübingen will mit einer eigenen Verpackungssteuer gegen Müllberge aus Pommesschachteln und Kaffeebechern vorgehen - und hat dafür jetzt Rückenwind vom Bundesverwaltungsgericht erhalten. Das oberste deutsche Verwaltungsgericht in Leipzig erklärte am Mittwoch die Tübinger Verpackungssteuersatzung im Wesentlichen für rechtmäßig (Az.: BVerwG 9 CN 1.22).

Die Betreiberin einer McDonald’s Filiale in Tübingen hatte dagegen geklagt, unterstützt von dem Fast-Food-Konzern. Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer (parteilos) sprach nach der Urteilsverkündung von einem »tollen Tag für Tübingen und für den Klimaschutz allemal«. »Das Urteil bestätigt, dass sich unsere Hartnäckigkeit gelohnt hat. Jetzt ist auch rechtlich anerkannt, was wir in Tübingen seit eineinhalb Jahren sehen: Die Verpackungssteuer wirkt, bringt Mehrweg-Lösungen voran und drängt die Müllflut im Stadtbild ganz wesentlich zurück«, sagt Oberbürgermeister Boris Palmer.

Seit 2022 höchstens 1,50 Euro pro »Einzelmahlzeit«

Seit Anfang 2022 werden in Tübingen je 50 Cent für Einweggeschirr und Einwegverpackungen sowie 20 Cent für Einwegbesteck fällig. Pro »Einzelmahlzeit« sollte die Steuer laut Satzung auf höchstens 1,50 Euro beschränkt sein. Zahlen müssen die Verkäufer der Speisen und Getränke - nach Angaben der Stadt rund 440 Betriebe in Tübingen. Wegen des laufenden Rechtsstreits wurden bisher aber noch keine Steuern eingezogen. Neben Einnahmen fürs Stadtsäckel geht es Tübingen vor allem um weniger Müll im öffentlichen Raum.

Die baden-württembergischen Richter waren davon ausgegangen, dass Tübingen die Kompetenz für die Einführung der Verpackungssteuer fehle. Es handele sich nicht um eine örtliche Steuer. Der VGH stieß sich an »to go«-Verpackungen, für die nicht gewährleistet sei, dass sie im Stadtgebiet bleiben. Außerdem sah der VGH die Tübinger Steuer im Widerspruch zum Abfallrecht des Bundes. Dieses schließe zusätzliche Regelungen einzelner Kommunen aus. Der VGH hatte sich stark an einem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes orientiert, das 1998 eine sehr ähnliche Verpackungssteuersatzung der Stadt Kassel für nichtig erklärt hatte.

Abfallrecht hat sich in den vergangenen 25 Jahren geändert

Das Bundesverwaltungsgericht wies in der mündlichen Verhandlung wiederholt darauf hin, dass sich das Abfallrecht in den vergangenen 25 Jahren geändert habe. In einem Eingangsstatement betonte die Vorsitzende Richterin Prof. Ulrike Bick zudem die Größe des Problems. Sie zitierte Zahlen der Deutschen Umwelthilfe (DUH), wonach in Deutschland jährlich 2,8 Milliarden Einwegbecher verbraucht würden. »Diese enorme Zahl zeigt, dass es nicht nur ein Abfall- sondern auch ein Ressourcenproblem ist.«

Anders als der VGH gehen die Bundesrichter davon aus, dass Mahlzeiten zum Mitnehmen meist sehr bald gegessen werden, die Verpackungen also »typischerweise« im Gemeindegebiet bleiben. Dass die Tübinger Satzung auch »to go«-Verpackungen umfasse, spreche also nicht dagegen, dass es eine örtliche Steuer sei.

»Oberste Prinzip ist immer die Abfallvermeidung«

Auch einen Widerspruch zu den Abfallregeln des Bundes und der Europäischen Union erkannte der Senat nicht. Vielmehr verfolgten sie alle - der Bund, die EU und die Stadt Tübingen - exakt dasselbe Ziel. »Das wichtigste, oberste Prinzip ist immer die Abfallvermeidung. Und um diese Abfallvermeidung geht es auch in der Satzung«, sagte die Vorsitzende Richterin. Kritisch sahen die Bundesrichter allerdings den Begriff der »Einzelmahlzeit«. Dieser sei zu unbestimmt und die Satzung in diesem und einem weiteren Punkt nichtig. Die Anwälte von McDonald's hatten vor einem bundesweiten Flickenteppich gewarnt, sollte sich Tübingen durchsetzen. »Es wird mindestens 80 Kommunen geben, die Verpackungssteuersatzungen erlassen«, sagte Anwalt Peter Bachmann. Für bundesweit tätige Unternehmen wie McDonald's sei das kaum zu bewältigen.

»Wir hoffen, dass bald gar keine Steuer mehr anfällt.«

Wie viel Steuern die McDonald's-Franchisenehmerin in Tübingen nun zahlen muss, war umstritten. Ihre Anwälte gingen von mindesten 870.000 Euro für das Jahr 2022 und 670.000 Euro für dieses Jahr aus. Die Vertreter der Stadt sprachen eher von 200.000 Euro. Zudem sei es das erklärte Ziel der Stadt, dass die Menschen zu Mehrwegverpackungen greifen. »Wir hoffen, dass bald gar keine Steuer mehr anfällt.«

Der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) begrüßte, dass Kommunen mit Steuern gegen eine Vermüllung vorgehen können. »Wichtig ist nun, dass diejenigen Städte, die von einer kommunalen Verpackungssteuer Gebrauch machen, die Einnahmen daraus auch tatsächlich für Stadtsauberkeit und kommunale Reinigungsleistungen einsetzen«, so ein VKU-Sprecher. (dpa)