TÜBINGEN. Ende vorletzte Woche war Ausverkauf: Jimmy’s Musikladen, die Institution für Musiker in der Umgebung, gibt es nicht mehr. Die Wertschätzung für Besitzer Klaus Langeneckert-Mayer bleibt. Ihm zu Ehren findet morgen ein einmaliges Konzert im Sudhaus statt – einige seiner bisherigen Kunden spielen ihm zu Ehren. Der Eintritt ist umsonst.
Es hätte eine Überraschung sein sollen, aber einer verplapperte sich: »Ich bin auf der Straße auf das Konzert im Sudhaus angesprochen worden«, erzählte Langeneckert-Mayer vergangene Woche, als er seinen Laden in der Tübinger Mühlstraße bereits geschlossen hatte. Mit Genugtuung blickt er auf die Bandbreite der Musik, die morgen zu hören sein wird – sie bildet die Bandbreite dessen ab, was bei ihm im Laden zu erwerben war.
Schon vor gut 30 Jahren kauften Philipp Feldtkeller und der noch Dieter-lose Thomas Kuhn in Jimmy’s Musikladen ein, was sie für ihre damalige Band Running Oeuf benötigten. Einige der Musiker, die morgen auftreten, kannte Langeneckert-Mayer schon als Absolventen der Tübinger Musikschule.
»Je näher man an den Künstlern ist, umso besser«
Zu den früh erkennbaren Talenten gehörten Klarinettist David Orlowsky, noch bevor er Klezmer-Musik für sich entdeckte, und Johnny König, der erst Gitarre spielte, danach zum Schlagzeug wechselte. »Die habe ich immer irgendwo gesehen«, sagt Langeneckert-Mayer.
Der Ex-Chef des Musikgeschäfts in der Mühlstraße stammt aus dem badischen Offenburg. Nach Tübingen kam er aufgrund des Zivildiensts. Dann blieb er im Musikartikel-Laden von Günther »Jimmy« Reinhardt hängen. Viermal zog er mit seinem Geschäft um: von Gomaringen nach Tübingen in die Paulinenstraße. Dann in die Metzgergasse, wo das Sortiment stark wuchs. Dann in die Mühlstraße 20 (heute Ribingurumu), schließlich innerhalb der Straße zum zuletzt aktuellen Standort des Geschäfts.
Statt eines fünften Umzugs machte Langeneckert-Mayer den Laden nun zu. Zwei Faktoren spielten eine Rolle. Zum einen dürfen Kunden, die mit dem Auto kommen, nicht mehr vor dem Geschäft parken. Das erschwerte ihnen schwere, sperrige Geräte zur Reparatur zu bringen und von dort holen. Im Laden habe es zuletzt ohnehin viele Waren gegeben, »die man nicht mit einer Hand wegträgt.«
Struktur des Tübinger Einzelhandels schwierig
Er halte die Struktur des Tübinger Einzelhandels für schwierig, sagt der ehemalige Musikhändler. Die Riege der Betreiber sei überaltert. Es werde in absehbarer Zeit nicht mehr so viele Läden geben. Für sein eigenes Geschäft hat er keine Chance zu einer Übergabe oder einem Verkauf gesehen: »Wer kauft den Laden und warum? Ich verkaufe meine Vergangenheit, der andere kauft seine Zukunft.« Die liege in diesem Geschäftsbereich beim Internethandel.
Was dafür gefordert wird, vor allem den Vertrieb, könne er nicht leisten. Auch das ein gewichtiger Faktor für die Aufgabe des Geschäfts. Langeneckert-Mayer lakonisch: »Der gemeine Kunde will lieber von einem unterbezahlten Paketdienstfahrer beliefert werden, als selbst zu fahren.«
MUSIKALISCHE REVUE
Mit einer musikalischen Revue am Mittwoch, 28. Juni, 19 Uhr, im Tübinger Sudhaus wollen sich die langjährigen Kunden und Musiker bei Klaus Langeneckert-Mayer bedanken. Zu hören sind Ernst Mantel und Heiner Reiff, Dieter Thomas Kuhn und Philipp Feldtkeller, Rainer Tempel, Treat me like a Dog (Harry Bechtle, Gerd Waiblinger und Wolf Abromeit), Broadway Cowboyz (Frank Wekenmann, Rudie Blazer, Joscha Glass), Potenzial (Fried Dähn und Thomas Maos), Patrick Bebelaar, Elke Voltz und Mary Ann Fröhlich, Thomas Horstmann und Wolfgang Lindenfelser, Ursula Branscheid-Koujaté und Ralf Keller, Christian Dähn und die Jaywalkers. Jakob Nacken moderiert. (mac)
Kompetenz des Besitzers
Die große Qualität von Jimmy’s Musikladen war stets die Kompetenz seines Besitzers in den Bereichen Beratung und Service. Die auftretenden Kunden vertrauten ihm. »Je näher man an den Künstlern ist, umso besser«, sagt Langeneckert-Mayer. Er reparierte manches Instrument oder stellte kurzfristig Equipment zur Verfügung, wenn vor einem Auftritt etwas ausfiel.
Seine Stärke ist nach wie vor die Elektronik, die ein Musiker braucht. Aktuell repariert er ein Mischpult (siehe Bild). Sein Hauptwerkzeug, der Lötkolben, wird er künftig immer wieder in die Hand nehmen. Stammkunden dürfen ihn nach wie vor in seiner Werkstatt aufsuchen.
»Ich bin kein Gitarrist. Ich kann nur demonstrieren, worum es geht«
Als sich der Laden noch dort befand, war einmal Christian Frederick Martin zu Gast, Chef der gleichnamigen Gitarrenbauer-Firma. Langeneckert-Mayer legte Wert auf guten Kontakt zu den Herstellern. Und er bestand stets darauf, die Ware, die er verkaufte, selbst auszusuchen. Davon überzeugt zu sein und sich damit auszukennen sei die Vorbedingung für eine gute Beratung später im Laden. Er betont: »Ich bin kein Gitarrist. Ich kann auf dem Instrument so viel demonstrieren, dass man versteht, worum es geht.«
Als er den Laden hatte, hörte er Zuhause kaum Musik. Morgen im Sudhaus kann sich Klaus Langeneckert-Mayer voll darauf einlassen, was ihm seine Kunden auf die Ohren geben. (GEA)