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Hat Tübingen einen Test-Betrüger angeheuert? Boris Palmer nimmt Stellung

Ein Betrüger hat fast eine Million Corona-Abstriche zu viel abgerechnet. Beim Tübinger Modell hat seine Firma ebenfalls Tests angeboten. Angeblich auf Bitten von Oberbürgermeister Boris Palmer. Der bezeichnet das jedoch als Lüge.

»Mit dem Tagesticket ist Tübingen für Sie geöffnet!«
»Mit dem Tagesticket ist Tübingen für Sie geöffnet!« Auf diesem Schild in der Innenstadt sind die Schnelltest-Stationen verzeichnet. Foto: Kathrin Kammerer
»Mit dem Tagesticket ist Tübingen für Sie geöffnet!« Auf diesem Schild in der Innenstadt sind die Schnelltest-Stationen verzeichnet.
Foto: Kathrin Kammerer

TÜBINGEN. Viele Menschen haben wegen Corona finanziell gelitten. Einzelhändler gingen pleite, Selbstständige, Gastronomen und Friseure. Manche sind während der Pandemie aber auch reich geworden, nicht selten auf illegale Weise. Schlagzeilen machen immer wieder Betrugsfälle mit Corona-Tests. So wurde erst am Montag ein 20-Jähriger schuldig gesprochen, der rund 5,7 Millionen Euro für ein nie betriebenes Testzentrum in Freiburg kassiert hatte. Einen Tag später gestand ein Mann vor dem Landgericht Bochum Abrechnungsbetrug mit Corona-Abstrichen in Millionenhöhe. Eine seiner Teststationen kam auch während des Tübinger Modells zum Einsatz.

Aber der Reihe nach. Seit Frühjahr 2021 betrieb der Angeklagte mit seiner Firma Medican deutschlandweit Corona-Testcenter, mehr als 40 Busse hatte er extra zu diesem Zweck umrüsten lassen, berichtet die Süddeutsche Zeitung (SZ). Im Prozess sagte der Mann aus, dass sich »zahlreiche Stadtspitzen« bei ihm gemeldet und einen Bus angefordert hatten. Darunter angeblich auch der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer. Vom Gericht wurde dieser dazu bislang nicht befragt, im Gespräch mit dem GEA widerspricht er jedoch entschieden.

»Das ist gelogen«, sagt der Rathauschef. Er oder die Stadt hätten sich nicht an den Angeklagten oder seine Firma gewandt. Vielmehr sei es andersrum gewesen. »Ein Mittelsmann kam auf uns zu und bot in einer E-Mail seine Unterstützung an.« Ein Foto des Schreibens, datiert vom 19. März 2021, postete Palmer heute auf seiner Facebookseite. »Wir würden gerne mitmachen und bieten an, mit zwei bis drei (gerne auch zehn oder mehr) unserer Testbusse nach Tübingen zu kommen und stationär für die Dauer des Versuchs zu bleiben«, heißt es im Wortlaut.

Im selben Monat startete der damalige Gesundheitsminister Jens Spahn die kostenlosen Bürgertests. Die Nachfrage war riesig. Auch in Tübingen, wo am 16. März das Modellprojekt »Öffnen mit Sicherheit« startete. Dabei durften Menschen während des Lockdowns mit negativem Schnelltest ins Kino, einkaufen oder ins Restaurant. Für die Aktion musste in Tübingen innerhalb weniger Tage enorme Testkapazität aufgebaut werden. Deshalb habe man schließlich auch einen Medican-Testbus anrücken lassen, so Palmer.

25,1 Millionen Euro Schaden

Doch dieser ist nur wenige Tage vor Ort gewesen. Gründe dafür gab es einige: Das Personal sei miserabel geschult, unfreundlich und langsam gewesen. Während andere Stationen rund 1.000 Tests am Tag geschafft haben, hätten es die Mitarbeiter von Medican laut Palmer nur auf etwa 200 gebracht. »Nach zehn Tagen haben wir sie wieder weggeschickt.« Auch wegen Abrechnungsbetrug? »Nein«, betont Palmer. In Tübingen sei das gar nicht möglich gewesen. »Die Teststationen mussten tagesaktuell melden, wie viele Abstriche durchgeführt wurden. Das haben wir dann statistisch überprüft, auch im Vergleich zu anderen Teststationen.«

Kontrollmechanismen dieser Art sind seitens der Bundespolitik bislang aber nicht vorgeschrieben. Dadurch war es dem Angeklagten laut SZ-Bericht möglich, im Frühjahr 2021 innerhalb von zwei Monaten fast eine Million Corona-Tests zu viel abzurechnen, was einen Schaden in Höhe von 25,1 Millionen Euro verursacht haben soll. Dafür drohen ihm jetzt mindestens sechs jahre Haft. (GEA)