GOMARINGEN/TÜBINGEN. Es begann im April 2020 mit einem schlichten Probelauf. Inzwischen haben mehr als 160 000 Menschen die Gomaringer Telefonandachten von den Pfarrer Peter Rostan und Hartmut Dinkel angehört. Der Erfolg trägt Früchte. Das Angebot wird jetzt auf den gesamten Kirchenbezirk ausgedehnt. So wird aus der Gomaringer ab ersten Dezember die Tübinger Telefonandacht.
»Es war ein Versuch im ersten Lockdown«, erinnert sich Rostan. Er habe die Menschen nicht mehr in echt zu Hause besuchen können, also kam er per Telefon ins Wohnzimmer. Täglich nahm er eine kurze Andacht auf dem Anrufbeantworter auf. Mindestens acht Anrufende am Tag sei das Ziel gewesen, »drunter machen wir es nicht«, waren sich die Gomaringer Kollegen Rostan und Dinkel einig. Dass auf Anhieb 80 Personen am Tag die Andachten anhörten, davon waren auch sie überrascht.
Es sei ein technisch einfacher und unmittelbarer Zugang zu den Menschen. Vor allem Ältere, die mit Streaming eher weniger zu erreichen sind, sollten damit die Möglichkeit haben in der Pandemie den Pfarrer zu hören.
Sobald die Rufnummer des Andachtstelefons als Kurzwahl eingespeichert sei, genüge ein Tastendruck und schon habe man eine echte und bekannte menschliche Stimme am Telefon. Und dazu noch ein geistliches Wort.
»Das kann ich doch nicht sterben lassen«
Die Zahl der Anrufenden stieg, schon nach wenigen Wochen waren es 250 am Tag. "Das geht natürlich nicht mit einem normalen Anrufbeantworter", erzählt Rostan, "man braucht dazu eine Telefon-Cloud Lösung." Da können beliebig viele gleichzeitig anrufen, ohne im Besetztzeichen zu landen. Im Sommer 2020 wurde der Kreis der Andachtssprecher um die beiden Kollegen aus Derendingen und Öschingen erweitert, so konnte der Aufwand besser verteilt werden. Mit der Zeit wurden die analogen Aufgaben in der Gemeinde wieder mehr und damit kam auch die Frage, was mit den Telefonandachten passiert. »Das kann ich doch nicht sterben lassen«, dachte Rostan beim Blick auf die nach zwei Jahren immer noch stabilen Anruferzahlen – auch ohne die Not eines Lockdowns. Der Produktionsaufwand der einzelnen Andacht ist zwar gering, die alleinige Verantwortung eines solch stetigen Angebotes sei schon sehr herausfordernd. Im größeren Team wäre es einfacher. Und so kam Rostan mit der Idee, die Telefonandacht auf den ganzen Kirchenbezirk auszuweiten.
Zur Unterstützung seines Anliegens bei der Tübinger Dekanin Elisabeth Hege präsentierte er die beeindruckende Anruferstatistik: »Täglich sind es etwa 200 – die meisten hören die Andacht gleich am Morgen, wohl als Frühstücksbegleiter oder auch per Handy auf dem Weg zur Arbeit. Aber auch mitten in der Nacht zählt die Telefonanlage jeweils zwischen 10 und 20 Anrufe. Das sind Leute, die nicht schlafen können. Dann kann ein biblischer Impuls übers Telefon sehr wertvoll werden. Besonders viele dankbare Reaktionen erreichen uns aber von Menschen, die aufgrund einer Einschränkung weder zum Gottesdienst kommen noch Bücher lesen können«.
Und so wurde aus der Gomaringer eine »Tübinger Telefonandacht zur Tageslosung«, die man übers Telefon und auch auf den üblichen Podcast-Kanälen anhören kann. Am einfachsten findet man sie über www.telefonandacht.de »Die Seite musste ich im Internet ersteigern, der Eigentümer wollte dafür zunächst 10 000 Euro, aber ich habe ihn ordentlich runtergehandelt«, sagt Rostan lachend.
»Mein Traum ist, dass alle Kollegen im Kirchenbezirk mitmachen«
Versehen mit einem schicken Logo, das der Dettinger Grafiker Andreas Beck extra für diesen Zweck entworfen hat, gehen die neuen Andachten am ersten Dezember an den Start. Dekanin Elisabeth Hege macht den Auftakt und viele Kolleginnen und Kollegen des Kirchenbezirks folgen. Sogar in den Tübinger Kliniken soll der Podcast mit den Andachten in die hauseigenen Patiententablets integriert werden.
Die drei- bis fünfminütigen Impulse beziehen sich auf die Tageslosungen der Herrnhuter Brüdergemeine. Keine steifen Predigten sondern Bibelworte, die in einem freundlichen Erzählton in den Alltag übersetzt werden. »Mein Traum ist, dass möglichst alle Kolleginnen und Kollegen im Kirchenbezirk mitmachen und das Angebot weiter angenommen wird«, sagt Rostan. (eb)
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