MÖSSINGEN. Sozialpädagogen kennen wir alle aus der Schule, aber es gibt sie natürlich nicht nur dort. Sozialpädagogen sind in vielen Bereichen tätig, unter anderem auch in der Justizvollzugsanstalt, kurz JVA. In der JVA Rottenburg gibt es insgesamt zwölf Sozialpädagogen, eine davon ist Marion Vollmer. Sie arbeitet dort mittlerweile schon seit 21 Jahren. Heute haben wir sie zu ihrer Arbeit in der JVA interviewt.
War Sozialpädagogin schon immer Dein Traumberuf und wie kamst Du dazu, in der JVA zu arbeiten?
Marion: Mir war schon immer klar, dass ich Menschen helfen will. Eigentlich wollte ich Krankenschwester werden, aber während des Studiums waren wir mal einen Tag in einer JVA und dann hat mich die Arbeit der Sozialpädagogen so begeistert, dass ich selbst eine geworden bin.
»Ein wichtiger Bereich ist die Klärung von Konflikten«
Was magst Du an Deiner Arbeit besonders gerne?
Marion: Ich mag an meiner Arbeit, dass sie sehr abwechslungsreich ist, weil man zwar einige Formalitäten zu erledigen hat, aber auch immer mit Menschen zu tun hat. Und da jeder Mensch anders ist, sind auch jedes Mal die Probleme und Aufgaben anders, sodass einem wirklich nie langweilig wird.
Was sind Deine Aufgaben in der JVA?
Marion: Es gibt verschiedene Bereiche. Einer davon ist, den Insassen bei ganz alltäglichen Sachen zu helfen, zum Beispiel beim Formulieren und Verstehen eines Briefes. Dann muss man als Sozialpädagogin natürlich auch immer Kontakt zu den Behörden und dem Gericht haben, um zum Beispiel eine Stellungnahme zur frühzeitigen Entlassung oder Abschiebung eines straffälligen Inhaftierten mit Migrationshintergrund zu schreiben. Ein weiterer sehr wichtiger Bereich ist natürlich die Klärung von Konflikten, Beistand in schwierigen Situationen und die Erstellung von Vollzugsplänen – das sind Pläne, die zusammen mit dem Insassen ausgearbeitet werden, für seinen weiteren Verlauf im Gefängnis. Es ist außerdem unsere Aufgabe zu schauen, was mit einem Häftling nach der Entlassung passiert.
Kannst Du das Konzept der Sozialpädagogik in einem Satz beschreiben und wen ja in welchem?
Marion: Das Grundkonzept der Sozialpädagogik ist die Hilfe zur Selbsthilfe!
»Die Belastung ist groß, weil das alles Menschen sind und keine Akten«
Muss ein Häftling zu Dir kommen oder ist das freiwillig ?
Marion: Ich habe Sprechstunden, zu denen Insassen auf Antrag – mit einem Brief an mich, weil sie ja in ihrer Zelle eingesperrt sind – kommen können und mit mir sprechen können. Es ist aber auch so, dass ich einen Insassen zu mir rufen kann, wenn es Gesprächsbedarf gibt.
Wie löst Du die Probleme der Häftlinge, sowohl untereinander als auch mit der Familie?
Marion: In beiden Fällen versuche ich, mit allen Beteiligten ein klärendes Gespräch zu führen. Ich bin dabei so etwas wie ein unparteiischer Schiedsrichter. Meistens klären sich die Probleme dann auch. Bei den Insassen untereinander gibt es leider manchmal auch Probleme, von denen wir nichts mitbekommen und welche sie dann untereinander klären – meistens nicht sehr schön. Es gibt aber auch immer wieder Fälle, in denen Insassen von anderen Mitinsassen bedroht werden. In solchen Fällen veranlassen wir dann, dass der Bedrohte in ein anderes Hafthaus gebracht wird. Man kann aber nicht immer alle Probleme lösen.
Wie groß ist die psychische Belastung in Deinem Beruf?
Marion: Ich würde sagen, dass die psychische Belastung relativ groß ist, weil das alles Menschen sind und keine Akten. Die Geschichten und Geschehnisse mancher Insassen nehmen mich doch schon sehr mit. Zum Beispiel gab es einmal einen 21-jährigen Insassen, der sich Sorgen machte, weil er seine Mutter seit Tagen nicht erreichen konnte. Wir haben weiter versucht, seine Mutter zu erreichen. Nach circa einer Woche kam ein Anruf, dass die Mutter von Polizisten tot im Haus aufgefunden wurde. Solche Nachrichten belasten einen dann auch nach der Arbeit noch sehr und man kann den Insassen in dieser schweren Zeit einfach nicht helfen. Am besten ist es dann, wenn man ihnen in der schweren Zeit beisteht. Allerdings gibt es auch kleinere Dinge, die einen vor fünf Jahren noch ziemlich belastet haben, heute hingegen eher nicht. Solche Geschichten wie die von dem 21-Jährigen vergisst man aber nie mehr. (ZmS)
Sabine Vollmer und Laura Schuker,Firstwald-Gymnasium Mössingen,
Klasse 8b