BERLIN. Es ist eine Protestwelle für mehr Klimaschutz, und das rund um den Erdball: Hunderttausende Jugendliche demonstrieren heute in mehr als 100 Staaten unter dem Motto »Fridays for Future« für drastische Schritte gegen die Erderwärmung. In Deutschland sind 222 Proteste nach dem Vorbild der schwedischen Schülerin Greta Thunberg geplant. Das geht aus einer Liste des Netzwerks #FridaysForFuture hervor. In Reutlingen soll demnach um 11 Uhr eine Kundgebung auf dem Marktplatz stattfinden. Auch in Tübingen soll ab 11 Uhr (Uhlandstraße) gestreikt werden.
Den Auftakt machten am Morgen Tausende Schüler in Neuseeland. Allein in dem Pazifikstaat waren gut 30 Demonstrationen geplant. Weltweit sind 1700 Kundgebungen und Schülerstreiks angekündigt, hierzulande rund 200.
Symbolfigur der Protestwelle ist die 16-jährige schwedische Schülerin Greta Thunberg, die seit vielen Wochen freitags für den Kampf gegen den Klimawandel demonstriert, statt zur Schule zu gehen. Sie ist inzwischen zu einer Ikone für Klimaschützer rund um die Welt geworden.
Unterstützung bekommt die ursprünglich von jungen Leuten initiierte Bewegung auch aus anderen Generationen. So haben rund 20 000 Wissenschaftler aus Deutschland, Österreich und der Schweiz eine Stellungnahme unterzeichnet, um dem Anliegen der Klimabewegung Nachdruck zu verleihen. Auch Eltern stellen sich mit »Parents for Future« an die Seite der Jugendlichen. Sie bitten unter anderem darum, auf Schulverweise oder andere disziplinarischen Maßnahmen zu verzichten, wenn Schüler für Proteste dem Unterricht fernbleiben.
Nach Ansicht des CDU-Bundestagsabgeordneten Philipp Amthor sollten die Proteste erst nach dem Unterrichtsende beginnen. »Politisches Interesse der Schüler finde ich immer gut. Dem können sie aber auch in ihrer Freizeit nachgehen«, sagte der 26-Jährige der »Heilbronner Stimme« (Freitag). »Bei der Wahl zwischen Unterricht und Klimademos in der Schulzeit entscheiden sich viele für Klimademos. Bei der Wahl zwischen Playstation und Klimademos am Nachmittag sieht es dann bei manchen aber schon anders aus.«
Vergangene Woche hatte nach Kanzlerin Angela Merkel (CDU) auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier die Schülerproteste begrüßt. Viele der Erwachsenen hätten noch nicht gemerkt, »dass es fünf vor zwölf ist«, sagte Steinmeier in Neumünster zu Schülern einer »Fridays For Future«-Mahnwache. Es gehe nicht nur um Schutz des Klimas, sondern auch um den Schutz der Weltmeere. Er sagte: »Wir brauchen junge Menschen wie euch, die sich einmischen.«
In Neuseeland lautet das Motto »Strike 4 Climate« (»Streik fürs Klima«). Koordinatorin Sophie Handford (18) sagte der Deutschen Presse-Agentur: »Wir sind die, die diese Erde erben werden. Wir verdienen es, darüber mitreden zu dürfen, welche Art von Zukunft wir haben werden.«
Die Zeit drängt: Schon jetzt hat sich die Erde nach Befunden des Weltklimarats IPCC gegenüber der vorindustriellen Zeit um etwa ein Grad erwärmt, in Deutschland sogar noch etwas stärker. Die Jahre 2015 bis 2018 waren nach Analysen der Weltwetterorganisation die vier wärmsten seit Beginn der Aufzeichnungen im 19. Jahrhundert. Geht es weiter wie bisher, ist Ende dieses Jahrhunderts die Welt wohl gut drei Grad wärmer. Zu den fatalen Folgen gehören mehr Hitzewellen, längere Dürren sowie mehr Stürme, Starkregen und Hochwasser. Um den Trend zu stoppen, muss der Ausstoß von Treibhausgasen etwa aus der Verbrennung von Kohle und Öl oder aus der Tierhaltung stark reduziert werden.
Die SPD erhofft sich von den Schülerprotesten auch Rückenwind für das umstrittene Klimaschutzgesetz. Die Bewegung »Fridays for Future« sei »gerade angesichts der Bremser in Politik und Wirtschaft eine ganz wichtige Stimme für wirkungsvollen Klimaschutz und damit für ein ambitioniertes Klimaschutzgesetz in Deutschland«, sagte Bundestags-Fraktionsvize Matthias Miersch der Deutschen Presse-Agentur. Die jungen Demonstranten wollten, dass Klimaschutz jetzt beginne. »Das will ich auch«, sagte Miersch. (dpa/GEA)