Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und der polnische Präsident Andrzej Duda haben gemeinsam die Opfer des Warschauer Aufstands 1944 geehrt. 80 Jahre nach der verzweifelten Erhebung gegen die deutsche Besatzung legten sie Kränze an einem Denkmal im Stadtteil Wola nieder. Direkt nach dem 1. August 1944 war dieser ein Schauplatz schwerer deutscher Kriegsverbrechen. Zur Abschreckung ermordeten Soldaten dort binnen weniger Tage etwa 30.000 polnische Zivilisten.
»Sie wurden aus den Häusern geholt, ihre Häuser wurden niedergebrannt, sie selbst wurden auf den Straßen erschossen, ihre Leichen verbrannt«, sagte Duda über das sogenannte Massaker von Wola. Insgesamt wurden bei dem 63 Tage währenden Aufstand gegen die deutsche Besatzung etwa 200.000 polnische Männer, Frauen und Kinder getötet. Die polnische Untergrundarmee hatte mit der Erhebung versucht, ihre Hauptstadt aus eigener Kraft von der deutschen Besatzung zu befreien.
Bundespräsident kniet vor Kranz
Duda nannte es einen symbolischen Moment, dass der Bundespräsident am Gedenken an den Warschauer Aufstand teilnehme. Steinmeier stand vor dem Kranz erst still und ging dann in die Knie, um die Schleife zu richten. Er hatte bei einer Rede am Mittwochabend um Vergebung für die von Deutschen begangenen Gräueltaten gebeten. Gleichzeitig hatte er Deutsche und Polen aufgerufen, sich für ein gemeinsames Europa einzusetzen und die Ukraine zu unterstützen.
Mit Duda traf der Bundespräsident auch zu einem politischen Gespräch zusammen. Dabei ging es nach Angaben aus dem Bundespräsidialamt unter anderem um den Stand des geplanten Deutsch-Polnischen Hauses in Berlin, das für beide Seiten ein Erinnerungs- und Begegnungsort werden soll. Außerdem tauschten sich die Präsidenten über die sicherheitspolitische Lage in Europa, über die Ukraine sowie die kommenden Wahlen in den USA aus.
Forderungen nach Wiedergutmachung
Bei der Kranzniederlegung wie schon bei Steinmeiers Rede am Aufstands-Denkmal am Vorabend forderten einige Demonstranten Reparationen für die von Deutschland im Zweiten Weltkrieg angerichteten Schäden. Sie riefen auf Polnisch »Reparacje« oder skandierten auf Deutsch »Wir fordern Kriegsreparationen«.
Angesichts der enormen Menschenverluste und Schäden ist diese Frage auch beim heutigen EU- und Nato-Nachbarn Polen aktuell. Vor allem die frühere nationalkonservative Regierung hat gegenüber Deutschland eine Milliardenrechnung aufgemacht. Die jetzige Mitte-Links-Regierung gibt sich zurückhaltender. Aus Sicht der Bundesregierung gibt es keinen Rechtsanspruch mehr auf Reparationen. Berlin möchte eher mit Warschau an gemeinsamen Projekten arbeiten, die auch überlebenden Opfer zugutekommen.
Tausende singen die alten Kampflieder
Der 80. Jahrestag des Aufstands wird in Polen in diesem Jahr mit besonders vielen Veranstaltungen begangen - auch eingedenk der Tatsache, dass es eine der letzten Gelegenheiten zur Begegnung mit Zeitzeugen ist. Selbst die Männer und Frauen, die schon als Kinder kämpften oder als Späher oder Kuriere dienten, sind heute über 90 Jahre alt. Das Gedenken hat seine eigenen Rituale. Immer am 1. August um 17.00 Uhr nachmittags hält ganz Warschau inne, der Verkehr ruht, weil um diese Zeit der Aufstand begann. Abends versammeln sich Tausende Menschen auf dem Pilsudski-Platz, um gemeinsam Lieder der Aufstandszeit zu singen. In Deutschland ist der polnische Warschauer Aufstand von 1944 weniger bekannt als der jüdische Aufstand im Warschauer Ghetto und wird oft verwechselt.
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