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Impfstoffstreit: Keine EU-Kontrollen in Nordirland

Im Streit um knappe Impfstoffe will die EU ihre Vakzin-Exporte künftig stärker kontrollieren. Weil dabei ausgerechnet die heikle irisch-nordirische Grenze in den Fokus geriet, war der Aufschrei groß. Brüssel lenkte ein - will jedoch weiter klare Kante zeigen.

Brexit
Eine Flagge der Europäischen Union und eine Flagge von Großbritannien wehen vor dem Parlament in Westminster. Foto: Kirsty O'connor/PA Wire/dpa
Eine Flagge der Europäischen Union und eine Flagge von Großbritannien wehen vor dem Parlament in Westminster. Foto: Kirsty O'connor/PA Wire/dpa

LONDON/BRÜSSEL. Im Impfstoffstreit mit Großbritannien hat die EU versucht, die Wogen wieder zu glätten. »Konstruktive Gespräche mit Premierminister Boris Johnson«, twitterte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in der Nacht zum Samstag.

»Wir sind uns im Prinzip einig geworden, dass es keine Beschränkungen beim Export von Impfstoffen durch Unternehmen geben soll, wenn diese ihre vertraglichen Pflichten erfüllen.«

Als Reaktion auf massive Lieferkürzungen des Impfstoffherstellers Astrazeneca will die EU künftig stärker überwachen, wohin wie viel in der EU produzierter Impfstoff exportiert wird. In einer ersten Erklärung klang es jedoch, als wollte Brüssel für dieses Vorhaben an der irisch-nordirischen Grenze Kontrollen durchführen und damit einen Notfallmechanismus des sogenannten Nordirland-Protokolls aktivieren. Der offenbar weder mit Dublin noch mit London abgestimmte Schritt rief helle Empörung in Großbritannien und vor allem in Nordirland hervor. Die EU wollte sich mit diesem Schritt wohl davor schützen, dass über Nordirland als Hintertür doch unreguliert Impfstoffdosen nach Großbritannien gelangen.

Die Europäische Union und das Vereinigte Königreich haben nur eine einzige Landgrenze, sie verläuft zwischen dem EU-Mitgliedsland Irland und der britischen Provinz Nordirland. Im Zuge der Brexit-Verhandlungen wurde jedoch vereinbart, dass an dieser Grenze keinesfalls Kontrollen stattfinden sollen, um den zerbrechlichen Frieden in der ehemaligen Bürgerkriegsregion Nordirland nicht zu gefährden.

Erst am späten Freitagabend lenkte die EU-Kommission ein und versprach in einer Mitteilung, bei ihren Exportkontrollen von Impfstoffen das Nordirland-Protokoll »unberührt« zu lassen. Man werde die Schutzmaßnahmen-Klausel des Protokolls nicht aktivieren. Der Streit hatte sich in den Stunden zuvor zur diplomatischen Krise zwischen London und Brüssel entwickelt. Boris Johnson sprach von »schwerer Besorgnis«, Nordirlands Regierungschefin Arlene Foster sogar von einem »Akt der Feindlichkeit«. Trotz des schnellen Zurückruderns der EU dürften die Vorgänge ihre Spuren in den ohnehin angespannten Beziehungen beider Seiten hinterlassen und das Ringen um die kostbaren Corona-Vakzine nicht einfacher machen.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, die zuvor mit Johnson telefoniert hatte, twitterte außerdem, sie habe sich mit dem irischen Premier Micheal Martin auf einen »zufriedenstellenden Weg« für die Überwachung der Impfstoffexporte geeinigt. Weitere Details sollten im Laufe des Samstag bekanntgegeben werden.

© dpa-infocom, dpa:210130-99-230292/2