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FDP dringt auf Corona-Lockerungen - gemeldete Inzidenz sinkt leicht

Die Infektionszahlen sind weiter hoch. Aber die FDP trommelt für ihren So-gut-wie-überstanden-Kurs. Am Mittwoch beraten Bund und Länder, wie es weitergeht.

Ein Corona-Schnelltest-Center wird an einem Schaufenster in der Innenstadt mit dem Zusatz »auch ohne Termin« beworben. Foto: Moritz Frankenberg/dpa
Ein Corona-Schnelltest-Center wird an einem Schaufenster in der Innenstadt mit dem Zusatz »auch ohne Termin« beworben.
Foto: Moritz Frankenberg/dpa

BERLIN. Vor dem Hintergrund einer erstmals seit Dezember gesunkenen Sieben-Tage-Inzidenz dringt die FDP auf schnelle und spürbare Corona-Lockerungen. Nach der Beratung der Regierungschefs der Bundesländer mit Kanzler Olaf Scholz (SPD) am Mittwoch müsse es einen »spürbaren Unterschied in unserem Alltag« geben, sagte Parteichef Christian Lindner der »Bild am Sonntag« (»BamS«). Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) legte ein Stufenkonzept für Lockerungen vor. Er betonte zugleich die Notwendigkeit, im Notfall auch weiterhin neue Einschränkungen beschließen zu können.

Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) brachte ein Ende der Maskenpflicht bis Ostern ins Spiel. Das sei zwar erst der letzte Lockerungsschritt, aber »je heller es wird, je mehr Ostern auch naht, können wir auch solche Schritte ins Auge fassen«, sagte er dem Fernsehsender Welt. Medizinische Experten halten es für vertretbar, einen Öffnungsplan zu entwickeln, mahnen aber zur Vorsicht.

Das Robert Koch-Institut (RKI) teilte am Sonntag eine bundesweite Sieben-Tage-Inzidenz von 1466,5 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner mit. Am Vortag lag der Wert noch bei 1474,3. Es ist aber schwer zu beurteilen, ob sich damit ein Plateau der Omikronwelle andeutet und der rasante Anstieg bei den Ansteckungen gebremst ist. Es könnte auch sein, dass der Rückgang eine Folge des überlasteten Melde- und Testsystems ist. Eine Rolle könnte spielen, dass manche ihren positiven Selbst- oder Schnelltest nicht mehr mit einem PCR-Test abklären lassen. Sie tauchen dann nicht in der Statistik auf.

Die Gesundheitsämter in Deutschland meldeten dem RKI (Stand Sonntag) binnen eines Tages 125 160 Corona-Neuinfektionen. Als sicher gilt, dass die Regierungschefs dennoch einen Öffnungsplan entwerfen werden - weil Omikron-Erkrankungen bei vielen glimpflicher ausgehen als die mit früher vorherrschenden Varianten. Fraglich ist, wie schnell und in welchen Schritten Öffnungen kommen und ob das bis 19. März befristete Infektionsschutzgesetz als Grundlage der Maßnahmen vorsorglich verlängert wird. Die Ampel-Koalition hatte auf Drängen der FDP bereits einmal - zu Beginn der vierten Welle - das Schutzinstrumentarium reduziert und dann angesichts der außer Kontrolle geratenen Infektionslage nachsteuern müssen.

Habeck wies im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur darauf hin, dass Experten den Scheitelpunkt der Infektionswelle Mitte Februar erwarteten. »Daher ist die nächste Ministerpräsidentenkonferenz am 16.2. der richtige Zeitpunkt, um sich eng über erste Öffnungsschritte abzustimmen.« Wichtig sei ein einheitliches Vorgehen. Lockerungen sollten nach den Vorstellungen seines Hauses stufenweise und regional differenziert erfolgen - und ausgerichtet an Schwellenwerten, die eine drohende Überlastung des Gesundheitssystems anzeigen sowie vom RKI und dem Expertenrat der Regierung noch festgelegt werden sollen.

Zuerst sollten jene Maßnahmen gelockert werden, die mit hohen wirtschaftlichen Kosten verbunden seien, hieß es aus Habecks Ministerium. So könne an die Stelle von 2G und 2G plus eine Pflicht zum Tragen von FFP2-Masken in Innenräumen treten. Auch Besucherzahlen bei Freiluftveranstaltungen könnten in einer ersten Stufe angehoben werden. In Innenräumen wie Clubs, wo viele ohne Abstand und Masken zusammenkämen, blieben Test- und Impfnachweise nötig. In einem zweiten Schritt sollte aus Sicht des Ministeriums über die Homeoffice-Pflicht, die Testpflicht für Arbeitgeber und 3G-Pflichten am Arbeitsplatz gesprochen werden. Bei engen Kontakten könne hier eine FFP2-Maskenpflicht erhalten bleiben.

FDP-Chef Lindner sagte dem Sender RTL/ntv: »Der 16. Februar und der 19. März müssen jeweils spürbare Unterschiede im Alltag machen. Die 2G-Regeln im Handel und in der Gastronomie, Obergrenzen für private Kontakte – das muss aufgehoben werden.«

Bundesärztekammer-Präsident Klaus Reinhardt hält Öffnungsüberlegungen für richtig. »Wegen der wesentlich leichteren Krankheitsverläufe der aktuellen Omikron-Variante ist es sicher angemessen, mögliche Rücknahmen einschränkender Corona-Maßnahmen vorzubereiten«, sagte er der »Rheinischen Post«. Andere Mediziner warnen die Politik vor einem zu riskanten Kurs. »Ob die Maßnahmen verlängert werden sollten, beziehungsweise in welchem Umfang sie fortgesetzt werden, muss anhand der pandemischen Lage in den ersten Märzwochen entschieden werden«, sagte etwa die Vize-Verbandschefin der Ärzte im öffentlichen Gesundheitsdienst, Elke Bruns-Philipps, der Funke-Mediengruppe.

Das Mitglied des Corona-Expertenrats der Regierung, Christian Karagiannidis, der das Divi-Intensivregister leitet, forderte Vorbereitungen auf eine weitere Corona-Welle im Herbst und dabei auch eine neue Teststrategie. Beim Redaktionsnetzwerk Deutschland schlug er vor, »im Herbst nicht mehr auf Verdacht zu testen, sondern Tests nur noch für vulnerable Gruppen und Personen mit Corona-Symptomen anzubieten«. Ergänzend solle es Abwasser-Screenings geben und ein Monitoring der Patienten mit Atemwegsinfektionen. »Klar ist schon jetzt, dass wir im Herbst und Winter mindestens zum Schutz der chronisch Kranken wieder Masken benötigen.« (dpa)