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Experten: Mehr und schneller impfen

Die Corona-Zahlen steigen auf Rekordwerte. Wie kann Schlimmeres verhindert werden? Eine Expertengruppe aus verschiedenen Fachrichtungen hat dazu jetzt ein Papier mit Strategien vorgelegt.

Impfen
Eine Klinik-Mitarbeiterin zieht den Covid-19 Impfstoff von Biontech/Pfizer für eine Impfung auf eine Spritze. (Archivbild). Foto: Hoppe/dpa
Eine Klinik-Mitarbeiterin zieht den Covid-19 Impfstoff von Biontech/Pfizer für eine Impfung auf eine Spritze. (Archivbild).
Foto: Hoppe/dpa

BERLIN. Angesichts rasch wachsender Fallzahlen und einer großen Impflücke dringt eine Expertengruppe in der Corona-Pandemie auf ein erhebliches Beschleunigen des Impftempos.

Sie bringt für den Fall einer akuten Überlastung des Gesundheitssystems auch kurze, aber intensive Maßnahmen zum Herunterfahren der Kontakte ins Spiel. Die Gruppe um Physikerin Viola Priesemann nutzt in einem veröffentlichten Winter-Strategiepapier nicht den Begriff Lockdown und betont, dass Schulschließungen nur ein letzter Schritt zur Entlastung der Kinder- und Jugendmedizin sein dürften. Die Experten regen jedoch an, für den Notfall ein Maßnahmenbündel zu planen, das sie »Not-Schutzschalter« oder »Not-Aus« nennen.

Im Papier sind als Maßnahmen für eine solche Auszeit genannt: Home-Office und engmaschige Testpflicht am Arbeitsplatz, verkleinerte Gruppen in Kindergärten und Schulen, (Teil-)Schließung von Geschäften, Restaurants, Dienstleistungen und Veranstaltungen, generell deutliches Reduzieren von Kontakten in der Arbeitswelt, der Öffentlichkeit und im Privaten. Es sei wichtig, einen solchen Schritt frühzeitig zu planen und »so stark wie möglich durchzuführen, damit sich der Aufwand überproportional auszahlt«, hieß es im Papier, über das zuerst »Die Zeit« (online) berichtete. Halbherziges Vorgehen habe nicht den erwünschten Effekt. Der Lockdown light im vorigen Winter etwa sei weder effektiv noch zielführend gewesen, heißt es.

Schulferien als geeignetes Zeitfenster

Priesemann erläuterte am Donnerstag in einer Videoschalte, dass man mit einer solchen Maßnahme, etwa über zwei Wochen, den Intensivstationen wieder Luft verschaffen könne. Dafür eigneten sich etwa auch Schulferien. »Es ist unklar, ob ein Not-Schutzschalter notwendig wird. Aber es wäre trotzdem hilfreich, schon jetzt einen klaren Plan zu entwickeln, ihn frühzeitig anzukündigen und mögliche Kollateralschäden präventiv abzufangen«, heißt es dazu im Papier. Die Wissenschaftler raten, solche Maßnahmen vorab verfassungsrechtlich und ethisch prüfen zu lassen.

Priesemann sagte, sie hoffe, dass die Impf- und Boosterkampagne ausreichend Fahrt aufnehme, um die vierte Welle in den Griff zu bekommen. Sinnvoll wäre dem Papier zufolge ein Tempo wie im Frühsommer, als circa sieben Prozent der Bevölkerung pro Woche zweitgeimpft worden seien. Simulationen zeigten, dass eine Auffrischimpfkampagne mit dieser Geschwindigkeit nach einem Monat erste Wirkung zeigen werde. Derzeit gehe es beim Impfen zu langsam, machte Priesemann deutlich.

Wirksamere Maßnahmen notwendig

Um die Zeit bis zum Erreichen von ausreichend Impfungen und Boostern zu überbrücken, seien deutliche und wirksame Maßnahmen erforderlich, hieß es. »Eine vermehrte Testung als alleinige Maßnahme wird zur Durchbrechung der beginnenden Winterwelle wohl nicht reichen.« Auch die Verhaltensregeln und die 2G/3G-Beschränkungen werden als alleine nicht ausreichend beschrieben. Der Virologe Christian Drosten, der nicht am Papier beteiligt war, sagte der Wochenzeitung »Die Zeit«: »Ich halte es für sicher, dass man kontakteinschränkende Maßnahmen braucht.«

Die Autoren kommen aus verschiedenen Disziplinen, darunter sind etwa die Virologinnen Sandra Ciesek und Ulrike Protzer, Epidemiologin Eva Grill, Immunologe Carsten Watzl, Intensivmediziner Christian Karagiannidis und der Soziologe Armin Nassehi. Modellierungen verschiedener Gruppen flossen ein.

Wie auch andere Fachleute zuvor betonten, reiche die bisherige Impfquote in Deutschland nicht aus. Infizierten sich in diesem Winter alle bisher ungeschützten Menschen, so »hätten wir mindestens dreimal mehr Personen auf den Intensivstationen als es im gesamten letzten Winter der Fall war«, heißt es im Papier. (dpa)