WALDDORFHÄSLACH. Daniela Kentner ist für die AfD im Juni in den Walddorfhäslacher Gemeinderat gewählt worden. Doch nun ist die Frage, ob sie fünf Jahre lang als Kommunalpolitikerin im Gremium den Ort gestalten darf oder ihren Posten zwischenzeitlich räumen muss. Denn die 49-Jährige ist gut einen Monat nach der Kommunalwahl vom Amtsgericht Reutlingen wegen zweier Taten zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten verurteilt worden. Ins Gefängnis muss Kentner nicht, denn das Gericht hat die Strafvollstreckung für drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt. Zu den Bewährungsauflagen zählt, dass Kentner 3.000 Euro für gemeinnützige Zwecke zahlen muss.
Das Urteil könnte sich aber auf ihr Amt als Gemeinderätin auswirken. Könnte deshalb, weil das Urteil noch nicht rechtkräftig ist und Kentner gegen ihre Verurteilung Berufung eingelegt hat. Nach dem Strafgesetzbuch verlieren Gewählte für fünf Jahre die Fähigkeit, öffentliche Ämter auszuüben , wenn sie wegen Verbrechen zu mehr als einem Jahr Freiheitsstrafe verurteilt wurden. Dazu gehört auch das Amt als Gemeinderat. Das Amtsgericht Reutlingen hat Kentner wegen Meineids, versuchter Strafvereitelung und falscher Verdächtigung verurteilt, als sie 2022 vor dem Amtsgericht Reutlingen als Zeugin ausgesagt hatte. Hinzu kommt eine Strafe wegen uneidlicher Falschaussage, versuchter Strafvereitelung und falscher Verdächtigung in der Berufungshauptverhandlung am Landgericht Tübingen 2023. Kentner bestreitet die Tatvorwürfe.
Mann zu 90 Tagessätzen verurteilt
Kentner hatte als Zeugin in Verfahren ausgesagt, bei denen ein Ehepaar aus Walddorfhäslach wegen Landfriedensbruchs angeklagt war. Die Staatsanwaltschaft Tübingen hatte ihnen strafrechtlich bedeutsames Verhalten während eines Lichterlaufs im Januar 2022 in Walddorfhäslach vorgeworfen. Damals, noch während der Corona-Pandemie, sollen die Frau und der Mann an einer nicht angemeldeten Protestversammlung gegen Beschränkungen teilgenommen haben. Die Staatsanwaltschaft warf dem Mann vor, er habe einem Polizisten in die Augen geleuchtet, ihn gegen den Oberkörper gestoßen, die Dienstmütze vor Kopf gerissen und diese weggeworfen. Letztlich hat das Landgericht Tübingen den Mann wegen eines Angriffs auf und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte in zweiter Instanz zu 90 Tagessätzen je 100 Euro verurteilt.
Kentner sagte vor Gericht aus, dass ein Polizist den Mann zuerst geschlagen und ihm eine Backpfeife verpasst habe. Außerdem habe der Mann seine Taschenlampe in der Jackentasche gehabt. Später sagte sie das auch unter Eid aus. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass sie den Mann vor einer Strafe bewahren wollte und hielt die Aussagen zwei Polizisten für glaubwürdiger. Demnach soll der Mann die Polizisten angegriffen und eine Taschenlampe in der Hand gehalten haben. Somit kam das Gericht zum Schluss, dass Kentner zwei Mal falsch ausgesagt habe.
Kentner bestreitet Meineid
Kentner sagt dem GEA, dass sie nur die Wahrheit gesagt habe und die Polizisten nicht in etwas »reinreiten« wollte. In den Gemeinderat hat sie sich wählen lassen, weil aus ihrer Sicht zu oft in der Politik »Ja und Amen« gesagt werde. Sie möchte die Bürger früher aufklären, damit sie sich bei Bedarf wehren könnten. Dass sie nun ihr Amt im September mit der Bürde einer Verurteilung antritt, würde sich wohl nicht so sehr auswirken, vermutet sie. »Mich kennen viele in Walddorfhäslach. Sie wissen, dass ich das Vorgeworfene nie machen würde. Ich denke, dass viele hinter mir stehen.« Schließlich habe sie 1.275 Stimmen bekommen.
Walddorfhäslachs Bürgermeisterin Silke Höflinger sagt auf GEA-Anfrage, dass Kentner ihr Amt zunächst ausüben kann, solange sie nicht rechtskräftig verurteilt wurde. Die Einsetzung des neuen Gemeinderats ist für Ende September geplant. Höflinger sagt, dass sie in ihrer 20-jährigen Amtszeit als Bürgermeisterin noch nie erlebt habe, dass ein Gemeinderat oder eine Gemeinderätin das Amt wegen einer Verurteilung nicht antreten oder aufgeben muss. »Man erlebt immer mal wieder was Neues.« Vor und direkt nach der Wahl habe die Gemeindeverwaltung geprüft, ob Hinderungsgründe bei den gewählten Räten vorliegen, aber keine festgestellt.
Bei Verurteilung rückt Hupe nach
Wie viele Gemeinderäte ihr Amt wegen einer Freiheitsstrafe nicht antreten dürfen oder es deshalb niederlegen müssen, darüber gibt es laut dem Gemeindetag Baden-Württemberg keine Statistik. Deren Mitarbeiterin Leonie König gibt aber eine Einschätzung ab: "Eine Häufung nehmen wir jedoch in keiner Weise wahr." Sie erklärt auch, wer nachrücken könnte, wenn Kentner später tatsächlich rechtskräftig verurteilt würde: "Sollte ein Ratsmitglied - unabhängig vom Grund - aus dem Rat ausscheiden oder das Amt nicht antreten, rückt die als nächste festgestellte Ersatzperson des gleichen Wahlvorschlags nach (§ 31, Gemeindeordnung). Sollte Kentner ihr Amt später niederlegen müssen, würde Benjamin Hupe nachrücken. Er hat die zweitmeisten Stimmen der AfD-Liste erhalten. (GEA)