WIESBADEN. Lohnzurückhaltung in der Corona-Krise hat den Anstieg der Tarifverdienste in diesem Jahr gebremst.
Nach vorläufigen Berechnungen des Statistischen Bundesamtes lagen die Gehälter der Tarifbeschäftigten einschließlich Sonderzahlungen im Jahresschnitt 2020 um 2,1 Prozent höher als 2019. Dies wäre der geringste Zuwachs seit 2016, wie die Wiesbadener Behörde am Montag mitteilte. Im vergangenen Jahr waren die Entgelte noch um durchschnittlich 3,2 Prozent gestiegen.
Positiv aus Sicht der Beschäftigten: Die Tarifverdienste legten deutlich stärker zu als die Verbraucherpreise insgesamt, die in diesem Jahr Ökonomen zufolge um etwa 0,6 Prozent stiegen. Unter dem Strich haben die betroffenen Arbeitnehmer damit rechnerisch mehr Geld in der Tasche. Der Einsatz von Kurzarbeit in der Pandemie wurde allerdings bei den Daten nicht berücksichtigt. Änderungen der tatsächlich bezahlten Arbeitszeit fließen den Angaben zufolge nicht in den Tarifindex ein.
Nach jüngst veröffentlichten Daten des WSI-Tarifarchivs der gewerkschaftlichen Hans-Böckler-Stiftung drückte die Corona-Krise insbesondere auf die Neuabschlüsse in diesem Jahr. Sie fielen mit 1,5 Prozent jahresbezogenem Lohnplus deutlich geringer aus als die bereits vereinbarten Erhöhungen für 2020. Diese hatten den Beschäftigten ein Plus von 2,6 Prozent gebracht.
Unter dem Druck der Krise hatten sich beispielsweise Arbeitgeber und Gewerkschaft der Metall- und Elektroindustrie darauf geeinigt, die Löhne in diesem Jahr nicht mehr zu erhöhen. Im Gegenzug wurden zusätzliche freie Tage für Arbeitnehmer mit kleinen Kindern und Ausgleichszahlungen für Kurzarbeiter vereinbart.
Nach Berechnungen des WSI stiegen die Gehälter der Tarifbeschäftigten in diesem Jahr im Schnitt nur um 2,0 Prozent. Ein geringeres Wachstum hatte es demnach zuletzt im Jahr 2010 unter dem Eindruck der damals gerade überwundenen globalen Finanz- und Wirtschaftskrise gegeben.
»In Zeiten der Corona-Pandemie leistet die Tarifpolitik damit einen wichtigen Beitrag zur Stabilisierung der Lohneinkommen, der sich positiv auf die gesamtwirtschaftliche Entwicklung auswirkt«, sagte jüngst der Leiter des WSI-Tarifarchivs, Thorsten Schulten. Das deutsche Tarifvertragssystem funktioniere auch unter Krisenbedingungen und sei in der Lage, passende Abschlüsse zu erzielen.
Insgesamt erhielten dem WSI zufolge 2020 knapp 18,6 Millionen Beschäftigte Tariferhöhungen. Für rund 9,8 Millionen gab es 2020 Neuabschlüsse.
Die Wiesbadener Behörde berücksichtigte bei ihren Berechnungen tarifliche Grundvergütungen sowie in Tarifabschlüssen festgelegte Sonderzahlungen wie Einmalzahlungen, Jahressonderzahlungen oder tarifliche Nachzahlungen. Zu den Sonderzahlungen zählt beispielsweise das Weihnachtsgeld. (dpa)