FRANKFURT/MAIN. Die Bundesbank traut der deutschen Wirtschaft im Sommer einen kräftigen Wachstumssprung zu. Die Wirtschaftsleistung dürfte »noch wesentlich kräftiger zulegen als im Frühjahr«, heißt im Monatsbericht August der Notenbank, der am Montag veröffentlicht wurde.
Auf Grundlage von Monatsschätzungen des Bruttoinlandsproduktes (BIP) könnte die Wirtschaftsleistung im dritten Quartal demnach um gut 3 Prozent gegenüber dem Vorquartal zulegen nach einem Plus von 1,5 Prozent im zweiten Vierteljahr. Trotzdem könnte das Gesamtjahr schwächer ausfallen als zunächst erwartet.
Ausschlaggebend für den Schub im Sommer sind nach Einschätzung der Notenbank-Volkswirte die ab Mitte Mai deutlich gelockerten Corona-Beschränkungen. »Sie wirken sich im laufenden Quartal stärker und vor allem länger aus als im Frühjahr«. Ob das BIP sein Vorkrisenniveau schon im Sommer erreicht oder erst im Herbst, bleibt aus Sicht der Notenbank allerdings abzuwarten.
Auch weil Europas größte Volkswirtschaft im ersten Halbjahr geringer wuchs als zunächst erwartet, könnte das Gesamtjahr etwas schwächer ausfallen als noch im Juni prognostiziert. Damals ging die Bundesbank davon aus, dass das reale BIP in kalenderbereinigter Betrachtung 2021 um etwas unter vier Prozent wächst. Im vergangenen Jahr hatte die Corona-Pandemie die deutsche Wirtschaft in die tiefste Rezession seit der globalen Finanzkrise 2009 gerissen. Das BIP brach real um 4,8 Prozent ein.
Die Industrie hat weiter Probleme
Getragen wird der Aufschwung nach Einschätzung der Notenbank zunächst vor allem von der Konsumlust der Verbraucher. Von dem Ende des Corona-Lockdowns profitieren die von den Beschränkungen besonders betroffenen Dienstleistungsbereiche wie das Gastgewerbe und Teile des Einzelhandels. Die Industrie leidet hingegen unter Lieferengpässen bei Vorprodukten und Rohstoffen. "Pandemiebedingte Risiken dürften
sich, soweit sie sich materialisieren, wohl stärker erst auf das Herbstquartal auswirken", schrieben die Experten. So könnten die Delta-Variante und das verringerte Impftempo wieder schärfere Schutzmaßnahmen nach sich ziehen.
Gesunkene Steuereinnahmen und milliardenschwere Hilfspakete für die Wirtschaft in der Corona-Krise hatten 2020 tiefe Löcher in den Staatshaushalt gerissen. Im Laufe dieses Jahres wird die Konjunkturerholung nach Einschätzung der Bundesbank zwar zunehmend positiv auf die Staatsfinanzen wirken, dennoch dürfte sich das Defizit vergrößern und über 5 Prozent des BIP hinausgehen (Vorjahr: 4,5 Prozent). »Ausschlaggebend für den Anstieg sind jedoch vor allem Maßnahmen, die nicht durch die Coronakrise begründet sind - wie etwa die Teilabschaffung des Solidaritätszuschlags«, erläuterten die Experten.
Ärger aus Brüssel droht nicht
Wie sich Einnahmen und Ausgaben des Fiskus im ersten Halbjahr 2021 entwickelt haben, gibt das Statistische Bundesamt an diesem Dienstag (8.00 Uhr) bekannt.
Ärger aus Brüssel droht Deutschland wegen des Defizits nicht. Die EU-Staaten hatten wegen der Corona-Krise erstmals die Regeln des Stabilitäts- und Wachstumspakts vorerst ausgesetzt, wonach das Haushaltsdefizit nicht über drei Prozent und die Gesamtverschuldung nicht über 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts steigen darf. (dpa)