REUTLINGEN. Kaum ein Thema wird so kontrovers diskutiert wie die Corona-Pandemie. Streitpunkte sind etwa die Maßnahmen zur Eindämmung des Virus, Folgen von Covid-19 für einzelne Altersgruppen sowie die Sinnhaftigkeit einer Impfung. Nicht selten werden dabei Falschmeldungen verbreitet. Wir haben vier Behauptungen, die derzeit im Internet kursieren, überprüft.
Gelten 3G-Regeln in Wahllokalen?
Behauptung: Im Internet verbreitet sich die Behauptung, dass diese Regeln auch in Wahllokalen gelten. Das würde bedeuten: Wer sich nicht daran hält, darf nicht wählen gehen.
Bewertung: Falsch. Die Bundesregierung erklärt, dass bei der Stimmabgabe im Wahllokal weder 3G noch 2G eine Rolle spielen werden.
Fakten: »Wählen im Wahllokal ist ohne Corona-Impfung oder -Test möglich«, teilt die Bundesregierung über ihren offiziellen Facebook-Kanal mit. Demnach können auch Ungeimpfte und Ungetestete am 26. September vor Ort ihre Stimmen abgeben.
Das geht auch aus Corona-Verordnungen der Länder hervor: Im einwohnerstärksten Bundesland Nordrhein-Westfalen etwa sind bei »öffentlichen Wahlen« keine 3G-Nachweise notwendig. In einem Informationsblatt antwortet die Landeswahlleiterin Berlin auf die Frage »Gilt die 3G-Regel für den Zutritt zum Wahllokal?« mit: »Nein, es besteht lediglich die Pflicht zum Tragen einer Maske.«
Auch der Bundeswahlleiter verweist darauf, dass je nach Infektionslage in den einzelnen Bundesländern eine Maskenpflicht (medizinisch oder FFP2) beim Gang zur Urne gelten könne.
Ist eine Corona-Infektion für Kinder völlig harmlos?
Behauptung: Der deutsche Schauspieler Till Schweiger argumentiert in dem Trailer zum Film »EINE ANDERE FREIHEIT«, eine Corona-Infektion für Kinder sei »absolut harmlos«.
Bewertung: Obwohl Kinder deutlich seltener als Erwachsene schwer an Covid-19 erkranken, ist das Virus für sie nicht komplett harmlos. Ein kleiner Anteil der erkrankten Kinder wird im Krankenhaus behandelt, einige Minderjährige verstarben infolge einer Covid-19-Erkrankung.
Fakten: Für Kinder verläuft eine Infektion mit Sars-CoV-2 in der Regel ohne oder mit nur milden Symptomen ab. Doch auch minderjährige Corona-Infizierte müssen mitunter im Krankenhaus behandelt werden.
Das Risiko für eine Behandlung von Corona-infizierten Kindern im Krankenhaus stuft das Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung als gering ein. Bei den 0- bis 4-Jährigen liege es bei 2 bis 4 Prozent, sagte die Leiterin der klinischen Epidemiologie, Berit Lange. Bei den Älteren bis 15 Jahre liege es bei 0,5 Prozent. Eine kleine Anfrage der FDP-Fraktion im Bundestag aus dem April dieses Jahres ergab, dass bis dahin mehr als 2,5 Prozent der Kinder unter fünf Jahren, die sich mit Corona infiziert hatten, im Krankenhaus behandelt werden mussten. Insgesamt lagen im Laufe der Pandemie bis April etwa 1600 Unter-Fünf-Jährige aufgrund einer Covid-Erkrankung im Krankenhaus, 26 davon auf der Intensivstation.
In seltenen Fällen kann eine schwere Covid-19-Erkrankung auch bei Kindern und Jugendlichen zum Tod führen. Bislang sind laut dem Wochenbericht des Robert Koch-Instituts 23 Menschen zwischen 0 und 19 Jahren gesichert infolge einer Sars-CoV-2-Infektion gestorben, von denen die meisten Vorerkrankungen hatten.
In den USA zeichnet sich ein Trend zu mehr Krankenhauseinweisungen bei Corona-kranken Kindern ab: Eine aktuelle Erhebung der US-Gesundheitsbehörde CDC zeigt, dass die Rate der mit Covid-19 im Zusammenhang stehenden Krankenhauseinweisungen bei Kindern zwischen bis vier Jahren zunimmt. So mussten in den USA im Zeitraum vom 21. bis zum 28. August 2021 zwei Unter-Fünf-Jährige pro 100 000 Einwohnern im Krankenhaus wegen einer Sars-CoV-2-Infektion behandelt werden. Zum Vergleich: In der ersten März-Woche waren es 0,7 Kinder bis vier Jahren pro 100 000 Einwohner. Auch auf Twitter teilt die CDC mit, dass sich die Zahl der Kinder unter 5, die wegen Covid-19 im Krankenhaus behandelt werden, Anfang Juli verdreifacht habe.
Neben Krankenhausaufenthalten und Todesfällen können bei Kindern und Jugendlichen auch Langzeitfolgen einer Sars-CoV-2-Infektion auftreten. Das legen verschiedene Untersuchungen nahe. In einer aktuellen britischen Studie zeigte sich, dass 30,3 Prozent der Kinder und Jugendlichen mit einem positiven PCR-Test drei Monate nach der Infektion unter mindestens drei Krankheitssymptomen litten. Die häufigsten Langzeitsymptome waren Müdigkeit, Kopfschmerzen und Kurzatmigkeit.
Ist die Einstichstelle am Arm nach der Corona-Impfung magnetisch?
Behauptung: In den sozialen Netzwerken kursieren mehrere Beiträge über Menschen, deren Arme magnetisch sein sollen - angeblich an der Stelle, wo sie zuvor mit einem Corona-Vakzin geimpft wurden. Damit soll offenbar gezeigt werden, dass ihnen durch die Impfung angeblich etwas aus Metall gespritzt wurde.
Bewertung: In den Corona-Impfstoffen ist nichts enthalten, was dazu führen könnte, dass Magnete an der Haut haften. Oberflächenhaftung hat nichts mit Magnetismus zu tun.
Fakten: Die mRNA-Impfstoffe von Moderna und Biontech/Pfizer sowie die Vektor-Impfstoffe von AstraZeneca und Janssen enthalten laut Inhaltsstoff-Liste keine magnetischen Materialien wie etwa Metalle.
»Dass in einigen Videos (...) Magnete an der Einstichstelle haften, liegt an der sogenannten Adhäsions- oder auch Anhangskraft. Diese kann durch Schweiß, Fett oder Öle auf der Hautoberfläche verstärkt werden«, schreibt das Bundesgesundheitsministerium in einer Infografik.
Die Adhäsionskraft ist eine Kraft, bei der eine Anziehung zwischen Teilchen verschiedener Körper wirkt. Sie wird auch Oberflächenhaftung genannt. Beispiele dafür sind etwa die Haftung von Wassertropfen auf einer Scheibe oder eben das Haften eines Magneten auf der Hautoberfläche. Neben körpereigenen Stoffen wie Schweiß können auch Rückstände eines Pflasters oder Körpercreme einen Gegenstand kurzzeitig auf der Haut haften lassen.
In einem BBC-Video erklärt der Wissenschaftler und Magnetforscher Eric Palm, dass es keinen Grund zu der Annahme gebe, dass die Impfstoffe einen Magneten an der Haut haften lassen. »Die Impfnadeln sind extrem klein. Selbst wenn man jemandem ein extrem magnetisches Partikel injiziert, wäre es immer noch so klein, dass es nicht genug Kraft hätte, um einen Magneten an der Haut zu halten.«
In anderen Impfstoffen sind zwar metallische Inhaltsstoffe wie etwa Aluminiumverbindungen enthalten, schreibt das für die Sicherheit von Impfstoffen zuständige Paul-Ehrlich-Institut (PEI). Aber kein Impfstoff enthalte reines Aluminium. Bestimmte Vakzine wie solche gegen Keuchhusten enthielten Aluminiumverbindungen als Wirkverstärker, heißt es. Aluminium gehört allerdings nicht zu den magnetischen Metallen.
Dürfen Geimpfte kein Blut mehr spenden?
Behauptung: In Facebook-Kommentaren dazu behauptet, die Impfstoffe »verseuchten« das Blut. Zudem könne die Blutspende eines Geimpften andere umbringen. Deshalb dürften Geimpfte kein Blut spenden.
Bewertung: Die Behauptung, Corona-Geimpfte dürften kein Blut spenden, entspricht nicht der Wahrheit. Die zugelassenen Vakzine enthalten nach Expertenangaben keine vermehrungsfähigen und damit übertragbaren Erreger, die die Empfänger von Transfusionen gefährden könnten.
Fakten: Die Empfehlung des für die Sicherheit von Impfstoffen zuständigen Paul-Ehrlich-Institut (PEI) lautet: Nach einer Impfung mit den bisher zugelassenen SARS-CoV-2-Impfstoffen sei »keine Spenderrückstellung erforderlich«. Das bestätigt auch die EU-Gesundheitsbehörde ECDC (Europäisches Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten).
Die aktuell eingesetzten Corona-Impfstoffe enthalten keine vermehrungsfähigen, übertragbaren Viren, sondern die Bauanleitung für ein Virus-Protein, das in den Körperzellen gebildet wird. Der Körper entwickelt eine Immunantwort und bildet entsprechende Antikörper, die im Infektionsfall das Coronavirus abwehren.
Die Impfung erfolgt zudem in den Muskel, nicht in die Blutbahn. Dadurch seien die im Blut enthaltenen Impfstoffmengen geringer als die zuvor bei der Impfung verabreichten, erklärt Franz Wagner, Transfusionsmediziner und Hauptabteilungsleiter am Institut Springe des DRK-Blutspendedienstes. Auch insofern, so Wagner gegenüber der Deutschen Presse-Agentur (dpa), sei auszuschließen, dass das Spenderblut eines Corona-Geimpften für einen Empfänger »gefährlich« werden könnte.
Eine andere Situation liege vor, wenn ein Impfstoff vermehrungsfähige Viren enthalte - wie etwa die Masern-Mumps-Röteln-Vakzine. »Hier lässt sich nicht vollständig ausschließen, dass einzelne Viren über eine Blutspende in einen Empfänger geraten, der kein funktionierendes Immunsystem hat - etwa ein Patient mit schwerstem Immundefekt«, erläutert der Mediziner. Derartig erkrankte Empfänger könnten unter Umständen auch mit den für die Impfung abgeschwächten Viren nicht fertig werden und erkranken. Deshalb sei nach diesen Impfungen eine Blutspende-Pause von vier Wochen vorgesehen - im Gegensatz zu den Corona-Vakzinen.
Blutspendedienste wie das Deutsche Rote Kreuz und große Kliniken empfehlen Corona-Geimpften allerdings, sich nach einer Gabe 24 Stunden lang zu schonen und eventuelle harmlose Impfreaktionen wie Fieber abzuwarten und auszukurieren. Wagner erklärt: »Hier geht es aber allein um das Wohlbefinden des Spenders.« (dpa)