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Viel Zuversicht und ein Angebot von Habeck an Merz in Stuttgart

Bei der Wahlkampfveranstaltung von Robert Habeck (Grüne) in Stuttgart geht es um die gefährdete Demokratie und um Friedrich Merz. Dem gibt Habeck sogar ein Versprechen.

Der Kanzlerkandidat der Grünen, Robert Habeck, spricht bei einer Wahlkampftveranstaltung in der Carl Benz Arena zu Gästen und Pa
Der Kanzlerkandidat der Grünen, Robert Habeck, spricht bei einer Wahlkampftveranstaltung in der Carl Benz Arena zu Gästen und Parteimitgliedern. Foto: Christoph Schmidt/dpa/dpa
Der Kanzlerkandidat der Grünen, Robert Habeck, spricht bei einer Wahlkampftveranstaltung in der Carl Benz Arena zu Gästen und Parteimitgliedern.
Foto: Christoph Schmidt/dpa/dpa

STUTTGART. Wer am vergangenen Samstag zum Wahlkampfauftritt von Robert Habeck (Grüne) in die Stuttgarter Carl Benz Arena gelangen wollte, musste erst einmal an einer Gruppe Querdenker vorbei. »Habeck ist einer der schlimmsten Politiker, die es bisher bei uns gegeben hat!«, brüllt einer der Demonstranten durchs Mikrofon und tituliert ihn als »Sektenführer«. Die Vorüberziehenden scheint dies nicht zu beeindrucken, manche quittieren die Tiraden allenfalls mit einem müden Lächeln.

Habeck polarisiert. Nicht nur unter Querdenkern. Bei den grünen Stammwählern ist der Vizekanzler und Wirtschaftsminister jedoch äußerst beliebt. Allein seit dem Ende der Ampel-Koalition haben die Grünen rund 30.000 neue Mitglieder gewonnen. Nicht zuletzt dank Robert Habeck. Seine Beliebtheit unter Grünen-Anhängern äußerte sich in den letzten Wochen auch in vollen Hallen. So auch in Stuttgart. Aus Platzgründen war die Veranstaltung kurzfristig vom Mozartsaal der Stuttgarter Liederhalle in die Carl Benz Arena verlegt worden. Hier sollten bis zu 2.000 Personen Platz finden, schon eine halbe Stunde vor Veranstaltungsbeginn war die Halle voll.

»Die Probleme werden sich nur lösen lassen, wenn man sie mit Beharrlichkeit und Zuversicht angeht.«

Als Robert Habeck dann die Bühne betritt, erwartet ihn lauter Applaus. Viele Menschen in der Halle sind jung, zwischen 18 und 35 Jahren, die meisten davon werden am 23. Februar wahrscheinlich ihr Kreuz bei den Grünen machen. Habecks Ärmel sind hochgekrempelt, die Energie die ihm seit jeher zugeschrieben wird, bekommen auch die Menschen in Stuttgart zu spüren: Habeck rauscht fast atemlos durch seine Rede, spricht frei, manchmal muss man sich anstrengen, seinem Gedankenfluss zu folgen.

»Die Probleme werden sich nur lösen lassen, wenn man sie mit Beharrlichkeit und Zuversicht angeht«, sagt Habeck. In seiner Rede ist das Wort Zuversicht immer präsent. Bei den Menschen in der Halle in Stuttgart scheint es genau das zu sein, was sie brauchen. Habeck stellt hier kein Programm vor, wie er Deutschland wieder auf Kurs bringen, die Wirtschaft für die Zukunft fit machen will. Er spricht lieber über Demokratie, über Populismus: »So schön es ist, gerade Wahlkampf zu machen, es ist eine entscheidende Zeit«, sagt der Vizekanzler und Wirtschaftsminister. Denn es finde nichts weniger als ein Angriff auf Demokratie und Rechtsstaatlichkeit statt. Deutschlands Wahl müsse eine Antwort auf die Wahl Trumps in Amerika sein. »Demokratie, Freiheit, Rechtsstaatlichkeit, das steht auf dem Spiel. Und wir werden sie verteidigen und auch gewinnen!« Und löst mit diesen Worten in der Halle einen regelrechten Jubelsturm aus.

»Wenn man ein Land führen will, so kalt es klingt, man darf sich nicht von seinen ersten Emotionen wegreißen lassen.«

Habeck ist in seinem Element, endlich da, wo er schon beim Bundestagswahlkampf 2021 sein wollte: Kanzlerkandidat der Grünen. Doch Habeck, so heißt es in diesen Tagen, verstolpere gerade den Wahlkampf. Seit seinem Vorschlag, Sozialabgaben aus Kapitalerträge zu erheben, müssen sich die Grünen mit dem Vorwurf herumschlagen, sie hätten es auf Kleinsparer abgesehen. Zwei Tage dauerte es, bis die Partei den Vorstoß einordnete und erklärte, es ginge ihnen dabei bloß um Millionäre und Entlastung für alle anderen. Und dann noch die mögliche Intrige gegen den Grünen-Bundestagsabgeordneten Stefan Gelbhaar. Zu beiden Themen am Wochenende in Stuttgart kein Wort. Je nach Umfrage liegen die Grünen gerade bei 13 bis 15 Prozent. 18 Prozent war das Ziel, auf jeden Fall aber vor der SPD.

Habeck betont in seiner Rede immer wieder, wie wichtig der Blick nach vorne sei. Der Klimaschutz dürfe nicht aufgegeben werden, Innovationskraft sei gefragt. Nur das Alte zu optimieren, sei nicht der Weg in eine wirtschaftlich erfolgreiche Zukunft. Der Kieler stichelt Richtung Bayern: »Was haben die von der CSU damals zur Digitalisierung gesagt? Optimieren wir die Kupferkabel! Und jetzt sind es die gleichen Leute die sagen: Optimieren wir die Ölheizung, optimieren wir den Verbrennungsmotor, optimieren wir die Kohlekraftwerke.«

Das große Thema Migration wird von Habeck nur gestreift. Konkrete Maßnahmen nennt er keine, fordert hier allenfalls einen klaren strategischen Weg und einen kühlen Kopf. »Wenn man ein Land führen will, so kalt es klingt, man darf sich nicht von seinen ersten Emotionen wegreißen lassen. Man muss die Dinge politisch zu Ende denken«, sagt Habeck mit Blick auf den Messerangriff in Aschaffenburg und holt nun doch noch eine aktuelle Debatte auf sein Wahlkampfpodium.

»Das kann sich als schwerer historischer Fehler erweisen.«

Es geht um die jüngsten Aussagen des CDU-Kanzlerkandidaten Friedrich Merz. Dieser hatte tags zuvor schärfere Maßnahmen in der Migrationspolitik angekündigt und gesagt, er beabsichtige, diese einzubringen, »unabhängig davon, wer ihnen zustimmt«. SPD und Grüne äußerten nach diesem Satz Zweifel an der Verlässlichkeit des Unionskandidaten, die Brandmauer zur AfD aufrechtzuerhalten. Sollte Merz tatsächlich diesen Weg einschlagen, wäre dies das wohl das endgültige Aus für eine mögliche schwarz-grüne Koalition im Bund.

»Das kann sich als schwerer historischer Fehler erweisen«, sagt Habeck am Samstag zu den Aussagen des CDU-Vorsitzenden und macht Merz ein Angebot: »Wenn das zurückgenommen wird, verspreche ich hier von dieser Bühne in Stuttgart aus, dass ich und die Grünen, dem mit Respekt und nicht mit Häme begegnen werden.«

Nach seiner Rede nimmt Habeck noch ein Bad in der Menge, macht Selfies mit Anhängern. »Robert for Kanzler!«, ruft ein Mann, eine Frau wünscht »viel Glück!« Zuversicht scheint genau das zu sein, was bei den Grünen-Anhängern ankommt. Bei Merkel hieß das noch »Wir schaffen das!«.

Merkel ist Geschichte, Baerbock für einige zu unnahbar. Der Mensch Habeck ist für viele das, was bei diesem grünen Wahlkampfauftritt zählt. Ob dies reicht, um über die 14,7 Prozent Wählerstimmen der letzten Bundestagswahl hinauszukommen, wird sich in knapp vier Wochen zeigen. (GEA)