Logo
Aktuell Kommentar

Kollektive Übellaunigkeit: Politik muss sich an eigene Nase fassen

Warum GEA-Redakteur Ulrich Häring fürchtet, mit einem Appell für mehr »fröhlichen Pragmatismus« allein, lässt sich die gesellschaftliche Unsicherheit nicht in Wohlgefallen auflösen.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) spricht bei der 23. Jahreskonferenz des Rates für Nachhaltige Entwicklung (RNE). Der 15-köpfige
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) spricht bei der 23. Jahreskonferenz des Rates für Nachhaltige Entwicklung (RNE). Der 15-köpfige Rat für Nachhaltige Entwicklung (RNE) berät die Bundesregierung bei Fragen zur Nachhaltigkeitspolitik. Er ist in seiner Tätigkeit unabhängig und wird seit 2001 alle drei Jahre von der Bundesregierung berufen. Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) spricht bei der 23. Jahreskonferenz des Rates für Nachhaltige Entwicklung (RNE). Der 15-köpfige Rat für Nachhaltige Entwicklung (RNE) berät die Bundesregierung bei Fragen zur Nachhaltigkeitspolitik. Er ist in seiner Tätigkeit unabhängig und wird seit 2001 alle drei Jahre von der Bundesregierung berufen.
Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa

REUTLINGEN. Kanzler Olaf Scholz hat nicht ganz unrecht mit der Feststellung, Deutschland drohe in eine »kollektive Übellaunigkeit« abzudriften. Doch mit seinem Appell für mehr Zuversicht und »fröhlichen Pragmatismus« wird sich die gesellschaftliche Stimmung nicht drehen lassen. Zu tief sitzen Verunsicherung und Zukunftsängste bei den meisten Bürgern. Dies ist auch nicht verwunderlich.

Die Nachwirkungen der Corona-Krise sitzen vielen immer noch in den Knochen. Die Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten schüren bei einigen die Angst, in einen bewaffneten Konflikt gezogen zu werden und am Horizont droht bereits in den düstersten Farben der Klimawandel das Leben auf unserem Planeten für immer zu verändern. Um wenigstens die allerschlimmsten Auswirkungen zu verhindern, wird nun versucht, im Eiltempo die Wirtschaft auf Klimaneutralität zu trimmen. Wobei der Versuch wie eine Operation am offenen Herzen erscheint, der genauso gut scheitern könnte. Eine disruptive Technologie wie die Künstliche Intelligenz, die die Arbeitswelt zu revolutionieren verspricht, trägt natürlich auch zur Verunsicherung bei. Dass eine aufstrebende Supermacht wie China nun auch noch mittels subventionierter Überkapazitäten hiesige Schlüsseltechnologie-Branchen zugrunde zu richten droht, hilft der Transformation auch nicht gerade. Wenn dann auch noch autoritäre Staaten in den Sozialen Medien zusätzlich Ängste mittels Fake News schüren, um den gesellschaftlichen Zusammenhalt westlicher Demokratien zu zerstören, dann ist der perfekte Boden bereitet für das, was Scholz »kollektive Übellaunigkeit« nennt.

Mit seiner »Kopf hoch, wird schon«-Parole verkennt Scholz, wie ernsthaft und tiefgreifend die Sorgen der Bürger sind. Zudem sollte sich die Politik an die eigene Nase fassen, wenn jeder Lösungsansatz von Vertretern anderer Parteien aufs Giftigste zerredet wird, anstatt mit Begeisterung die eigene Idee zu präsentieren. So schafft man kein Vertrauen und keine positive Zukunftsvision.

ulrich.haering@gea.de