REUTLINGEN. Kreml-Chef Putin hat gewonnen. Er hat den Tiergartenmörder freigepresst. Dem Gefangenenaustausch stimmten die USA unter dem Zeitdruck der bevorstehenden Präsidentschaftswahl zu. Der Deal könnte eine Blaupause für die Lösung des Ukraine-Konflikts sein.
Putin punktet im In- und Ausland. Mit der Inhaftierung und Verurteilung ausländischer Staatsangehöriger und russischer Oppositioneller schüchtert Putin Kreml-Kritiker ein, demonstriert dem Westen seine Bereitschaft zur Eskalation und nimmt Geiseln als Druckmittel für einen Austausch. Mit der Freilassung der Gefangenen holt Putin im Gegenzug russische Hacker und Agenten heim, darunter einen mutmaßlichen FSB-Mitarbeiter und staatlichen Auftragsmörder. Die Heimkehrer gelten zuhause als Nationalhelden und werden voraussichtlich mit Ehrungen und Ämtern belohnt. Dafür nutzte Putin den Zeitdruck aus, unter dem die US-Politik steht. Denn vor Amtsende will Biden noch letzte Erfolge einfahren, während Demokraten und Republikaner sich verstärkt auf den Wahlkampf konzentrieren.
Der Austausch ist allerdings auch eine Chance: Er zeigt, dass Ost und West noch miteinander sprechen. Und dass Verhandlungslösungen möglich sind, wenn beide Seiten davon profitieren. Wenn der Westen mit Russland ins Geschäft kommen will, dann muss er etwas anbieten. Womöglich wäre das auch ein Ansatz für Frieden in der Ukraine. Denn dass das überfallene Land sein gesamtes Staatsgebiet zurückerobert, wird immer unwahrscheinlicher.