REUTLINGEN. In Auschwitz-Birkenau kommen hochrangige Delegationen aus ganz Europa zusammen, um der Befreiung des deutschen Vernichtungslagers durch die Rote Armee vor 80 Jahren zu gedenken. 50 Zeitzeugen sind anwesend, um von den unvorstellbaren Verbrechen zu berichten, die den Insassen der Konzentrationslager angetan wurden. Wir werden nicht mehr lange auf die eindrücklichen Aussagen aus erster Hand zurückgreifen können. Umso wichtiger ist es, die Erinnerung daran aufrechtzuerhalten, was der Mensch dem Menschen antun kann. Insbesondere beim Blick auf die politische Landkarte.
Verantwortung für das Hier und Jetzt
Es werden immer wieder Stimmen laut, die fordern, dass es jetzt doch auch mal gut sein müsse mit der Vergangenheitsbewältigung. Gerade erst verkündete Elon Musk, dass Deutschland zu viel Fokus auf vergangene Schuld lege. Doch beim Gedenken an den Holocaust geht es nicht um das Schuldgefühl der gegenwärtigen Generation, die zur Zeit des Nazi-Regimes noch nicht einmal geboren war. Es geht um die Verantwortung für das Hier und Jetzt, und darum dass sich die Gräuel der Vergangenheit niemals wiederholen dürfen.
Erinnerungskultur hat versagt
Wenn heute zwölf Prozent der jungen Erwachsenen den Begriff Holocaust nicht mehr kennen. Wenn die letzten Überlebenden der Schoah zusehen müssen, wie in Europa und in Amerika rechtsradikale Parteien die Macht ergreifen, dann hat die Erinnerungskultur versagt. Wenn jüdische Friedhöfe und Synagogen beschmiert werden und ein wütender Mob durch die Straßen Berlins zieht, der die Vernichtung Israels fordert, dann zeigt uns das, wie lebendig der Hass der Vergangenheit heute noch immer in bestimmten Kreisen ist. Diesem Hass entschlossen entgegenzutreten, wird unser aller Aufgabe sein, wenn die letzten Zeitzeugen einmal nicht mehr unter uns sind.