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GEA-Verleger Valdo Lehari jr. sieht Pressefreiheit bedroht

GEA-Verleger Valdo Lehari jr. sieht Gefahren für Medien und Pressefreiheit und setzt auf Qualität, Bürgernähe und wahrhafte Information

Die Werte, die Europa ausmachen, müssen verteidigt werden. Valdo Lehari jr. kämpft seit Jahrzehnten für unabhängige Medien.  FOT
Die Werte, die Europa ausmachen, müssen verteidigt werden. Valdo Lehari jr. kämpft seit Jahrzehnten für unabhängige Medien. Foto: dpa
Die Werte, die Europa ausmachen, müssen verteidigt werden. Valdo Lehari jr. kämpft seit Jahrzehnten für unabhängige Medien.
Foto: dpa

REUTLINGEN/BRÜSSEL. »Die Frage der funktionierenden Medien ist die Frage der Zukunft der Europäischen Union. Es ist schon fünf vor Zwölf«, sagt Valdo Lehari jr. vor allem mit Blick auf die Osteuropäer. Die Pressefreiheit und die Arbeit von Journalisten in der Europäischen Union sieht der Verleger und Geschäftsführer des Reutlinger General-Anzeigers und Vizepräsident der European Newspaper Publishers Association ENPA im Gespräch mit dem GEA zunehmend bedroht. Das gilt für osteuropäische Staaten und besonders für Ungarn und Polen. Erinnert sei auch an die Ermordung von Reportern auf Malta und in der Slowakei.

Mafiöse Geschäftspraktiken, verbunden mit Korruption und Vetternwirtschaft sowie radikale politische Strömungen untergraben die demokratischen Systeme. In Ländern wie Polen, Tschechien und Ungarn, in Rumänien oder Bulgarien wird Medienmacht teilweise missbraucht. Damit wird massiv Einfluss genommen auf politische Entscheidungen oder es werden Politiker wie der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán und der polnische Chef der PiS-Partei, Jaroslaw Kaczinsky, unterstützt. Beide sind konservativ-nationalistische Politiker, die restriktive Mediengesetze durchgesetzt haben.

Brüssel scheint dagegen machtlos, obwohl hier an den Fundamenten der europäischen Wertegemeinschaft gerüttelt wird. Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Meinungs- und Pressefreiheit, Bürger- und Menschenrechte sind die Werte, die Europa ausmachen und die verteidigt werden müssen. Eine wichtige Aufgabe fällt dabei den Medien zu.

»Alarmstufe Rot für die Medienfreiheit in Europa!« – so war die Deklaration von Sofia auf dem Verlegergipfel überschrieben. Gleichzeitig fordern die Verleger, dass Brüssel künftig bei der Vergabe von EU-Geldern an Mitgliedstaaten auch die Pressefreiheit als ein Bewilligungskriterium heranziehen sollten.

»Für die Demokratie von existenzieller Bedeutung«

Es war kein Zufall, dass ENPA-Vize Valdo Lehari den Zeitungsverlegerkongress zusammen mit dem Verband der Zeitungsherausgeber in Bulgarien, der European Magazine Media Association und der European Federation of Journalists in Sofia veranstaltete. Bulgarien hat noch bis Ende des Monats die EU-Ratspräsidentschaft inne. Gleichzeitig ist Bulgarien in der Rangliste der Pressefreiheit, die Reporter ohne Grenzen jährlich veröffentlicht, mit Rang 109 das am schlechtesten platzierte Mitgliedsland der Europäischen Union. Ungarn, Polen und die Balkanstaaten rangieren noch davor. Die Unterschiede allerdings sind oft geringer, als es die Platzierungen andeuten.

»Die Westeuropäer haben im Prozess ihrer Erweiterung in den vergangenen 17 Jahren zu wenig getan, um die Pressefreiheit und die anderen Freiheitsrechte als Werte der demokratischen Gesellschaft zu stärken«, kritisiert Lehari. Die Osterweiterung der EU sollte diesen Staaten mehr Demokratie, mehr Meinungs- und Pressefreiheit und mehr Rechtsstaatlichkeit bringen. »Pressefreiheit und das funktionierende Pressewesen sind für die Demokratie und die politische Willensbildung von existenzieller Bedeutung.« Die Problematik zeige sich daran, »dass die EU für die Zeit nach einem Beitritt keine Selbstreinigungsmöglichkeiten und keine Schlechtwetterregulierung hat«. Auch sei die Charta der Grundrechte der EU nicht vergleichbar mit den Grundrechten im deutschen Grundgesetz. »Jetzt läuft man den eigenen Fehlern hinterher.«

In Bulgarien hat sich ein explosives Gemisch aus Oligarchen, Politikern und Kriminellen gebildet, das nach Angaben der bulgarischen Opposition staatliche Kommissionen und Einrichtungen zu beherrschen versucht. Ende November 2017 hatte sich der bulgarische Verleger- und Journalistenverband IPB an den europäischen Verlegerverband gewandt und im »Media freedom White Paper« davor gewarnt, dass die Existenz der wenigen Medien, die noch nicht dem Medienmogul Deljan Peewski in Bulgarien angehört, akut bedroht sei. Das wird von Peewski allerdings bestritten.

GEA Verleger Valdo Lehari jr.
GEA Verleger Valdo Lehari jr.
GEA Verleger Valdo Lehari jr.

Medien- und Pressefreiheit sei allerdings keine rein bulgarische Angelegenheit. Man müsse auch klar sagen, »was bei uns in Westeuropa schief gelaufen ist und dass auch bei uns die Pressefreiheit permanent verteidigt werden muss«. Grundlagen der Medienfreiheit seien wirtschaftlich gesunde Medien und gut ausgebildete Journalisten, sagt Valdo Lehari jr. »Unsere Antwort ist Qualität, Distanz und gute Information. Die Notwendigkeit von Pressefreiheit und Qualitätsjournalismus muss immer von Neuem im Bewusstsein gehalten werden.«

So, wie die Zeitungslandschaft in den ost- und südosteuropäischen EU-Staaten eine andere ist als etwa in Deutschland, so unterscheidet sich auch die Werbelandschaft. Nach dem Krieg ist im Westen dank der Amerikaner eine freie Presse aufgebaut worden, es gab Neugründungen von Zeitungen, es gab den Aufbau eines lokalen Einzelhandels, der lokale Zeitungen finanziert hat. »Diese Entwicklung ist im Osten komplett übersprungen worden. Dort kamen sofort McDonalds und Discounter.« Zum Wertevakuum kam es, weil man sich nur um pekuniäre Dinge gekümmert hat. Und es führte nach den Worten von Lehari in Osteuropa letztlich zu einer Destabilisierung auch der politischen Kultur, zur Radikalisierung der Sprache und zur Hetzjagd auf Redakteure.

Der Vorsitzende des Verbandes Südwestdeutscher Zeitungsverleger (VSZV), Valdo Lehari jr.
Der Vorsitzende des Verbandes Südwestdeutscher Zeitungsverleger (VSZV), Valdo Lehari jr. Foto: dpa
Der Vorsitzende des Verbandes Südwestdeutscher Zeitungsverleger (VSZV), Valdo Lehari jr.
Foto: dpa

Doch »wir im Westen sind nicht gerade die besten Vorbilder«. »Es sei so eine Sache, wenn man gleichzeitig damit hausieren geht und sagt, ihr müsst unbedingt einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk aufbauen, und dann noch privaten Rundfunk und lokale und nationale Zeitungen.« Lehari verweist auf Berlusconi in Italien auf den Fall Nikolaus Brender beim ZDF und auf die USA. »Das alles wird im Moment getoppt von dem, was in Washington schief läuft. Dort werden Journalisten angegriffen, dort wird Lüge und Wahrheit durcheinandergebracht, dort werden Medien einfach ausgeladen, die kritisch sind, dort erzeugen Fake News, Hate Speech und alternative Fakten ihre Wirkungen. Falsche Wahrheiten werden schneller verbreitet als die richtigen.« Professioneller Journalismus sei die beste Reaktion auf Polemik und solche Falschinformationen im Internet. »Das gilt für Amerika wie Europa. Es geht um Glaubwürdigkeit und Vertrauen.«

»Gegen Fake News hilft primär guter Journalismus«

Am schnellsten hilft es seiner Überzeugung nach, wenn der Staat die Finger von all dem lässt, was die Finanzierung unabhängiger Medien gefährdet. Er zählt Pläne auf für eine Mehrwertsteuer auf digitale Produkte, dazu gehören die Themen Werberegulierung, Verlegerrechte und anderes mehr. »Im Moment habe ich die Sorge, dass es einen politischen Aktionismus gibt und man sagt, wir müssen schnell ein Gesetz machen beispielsweise gegen Fake News.« Das sei zum Scheitern verurteilt. »Gegen Fake News funktioniert primär guter Journalismus, der noch näher beim Menschen ist. Das ist unsere Verpflichtung.« Social Media ist kein Medium im klassisch-rechtlichen Sinn, sondern »eine Art halböffentliches Gefängnis- und Krankenhausradio, ein digitaler Stammtisch, allerdings mit großer Massenausbreitung«. Bei Google sagen sie natürlich, »we are nice guys, wir machen Plattformen, wir bringen Menschen zusammen«. Dabei wird vernebelt, dass es hier um eine durch Algorithmen gesteuerte Nachrichten- und Informationsselektion geht und um die Gefahr des »new gatekeepers« für Informationen. (GEA)

Foto: Trinkhaus
Foto: Gerlinde Trinkhaus
Foto: Gerlinde Trinkhaus