REUTLINGEN. »Der Staat muss sein Schutzversprechen gegenüber der eigenen Bevölkerung einlösen. Es ist völlig klar, dass es bei der Migration einen grundlegenden Wechsel braucht«, sagte der CSU-Generalsekretär Martin Huber (47). So kurz nach dem Attentat von Aschaffenburg war das ein Hauptthema bei der ersten Veranstaltung »Politik und Wirtschaft im Dialog« der Unternehmerverbände »die Familienunternehmer/die Jungen Unternehmer« im neuen Jahr. Entsprechende Rückmeldungen kämen doch auch aus den Kommunen, ergänzte der Politiker.
Der 28-jährige Afghane Enamullah O. hatte am Mittwoch im bayerischen Aschaffenburg mit einem Messer eine Kita-Gruppe angegriffen und einen zweijährigen Jungen getötet. Ein Passant, der dazwischenging, wurde ebenfalls getötet, weitere Menschen wurden schwer verletzt. Wieder stellt sich heraus, dass der Attentäter kein Unbekannter war.
Mannheim, Solingen, Magdeburg und nun Aschaffenburg – das sind lediglich die letzten Bluttaten einer ganzen Reihe, die die Menschen in Deutschland zusehends verunsichern. Sie fragen sich, wie konnte das passieren und vor allem, was wird vom Staat dagegen getan?
»Grundvertrauen in die Kompetenz des Staates verloren«
Enamullah O. reiste 2022 offenbar über Bulgarien nach Österreich und dann rechtswidrig nach Deutschland ein. Danach setzte eine lange Kette von Fehlern, Unzulänglichkeiten, bürokratischen Hürden und Versäumnissen ein, sodass er auch 16 Monate nach seinem Asylantrag noch in Deutschland war, obwohl er sich inzwischen bereiterklärt hatte, freiwillig zurückzugehen. Das wiederum scheiterte an noch fehlenden Papieren. Es war das Attentat eines offensichtlich psychisch kranken Mannes.
Dazu Huber: CDU-Chef »Friedrich Merz hat deutlich gemacht, dass er als Bundeskanzler als eine seiner ersten Amtshandlungen die Richtlinienkompetenz wahrnehmen wird, um den Schutz der Außengrenzen zu gewährleisten, um Zurückweisungen vorzunehmen und zu verhindern, dass Ausreisepflichtige sich dem Zugriff der Behörden entziehen können.« Außerdem sei ein Abschiebegewahrsam vorgesehen. »Die Menschen haben doch das Grundvertrauen in die Handlungsfähigkeit und Kompetenz des Staates verloren.« Das müsse uns große Sorgen bereiten – auch mit Blick auf Österreich, wo die rechtspopulistische FPÖ die Wahlen gewonnen hatte.
Der Reutlinger CDU-Bundestagsabgeordnete Michael Donth nannte auf der Achalm weitere Maßnahmen. So müsse es der Bundespolizei ermöglicht werden, Haftbefehle zu beantragen, denn das sei bisher immer noch Sache der Landespolizeien. Dazu werde vermutlich schon nächste Woche ein Gesetzentwurf eingebracht." Abschiebungen und Rückführungen müssten endlich konsequent in die Hand genommen und klarer geregelt werden. Das Aufenthaltsrecht müsse laut Donth so geändert werden, "dass ein Abschiebegewahrsam unbefristet möglich ist". Alle diese Punkte seien für Merz nach eigener Aussagen nicht verhandelbar, sondern sie seien die Voraussetzung für eine mögliche Koalition nach der Bundestagswahl am 23. Februar.
»Und wenn Recht und Gesetz nicht mehr der aktuellen Lage entsprechen, müssen die Politiker sie anpassen. Das ist unser Job als Politiker«, so Huber. Was weitere sichere Herkunftsstaaten angeht, scheitere die Erweiterung der Liste beispielsweise um Marokko und Moldawien bisher am Widerstand der Grünen. »Nach der Genfer Flüchtlingskonvention«, be-tonte Huber, »ist sogar viel mehr möglich, als allgemein angenommen.« Da stehe beispielsweise drin, »es darf keiner in sein Heimatland abgeschoben werden, wenn ihm dort Schaden droht, es sei denn, er ist in seinem Gastland straffällig geworden, ist dort eine Gefahr für die Allgemeinheit und dort verurteilt worden«.
»Die Union ist gegen die Turbo- staatsbürgerschaft«
Seit über 20 Jahren moderiert Rainer Knauer die Gesprächsrunden zwischen Wirtschaft und Politik und stellt die Fragen. Auf der Achalm ging es auch um das Thema Staatsbürgerschaft. »Die Union ist gegen die Turbostaatsbürgerschaft.« Drei Jahre Wartezeit bis zur deutschen Staatsbürgerschaft seien zu wenig Zeit, meint Huber. »Sie muss am Ende einer gelungenen Integration stehen, aber nicht am Anfang.« Man müsse sie sich erst verdienen, deshalb halte die Union eine Frist von acht Jahren für angemessen.
Huber verwies darauf, dass eine deutsche Staatsbürgerschaft im Übrigen auch wieder aberkannt werden könne, »jedenfalls bei denen, die beispielsweise gegen deutsche Werte verstoßen, ein Kalifat fordern und die eine doppelte Staatsbürgerschaft haben.« Das müsse nur durch ein Gesetz entsprechend geregelt werden.
»Wir befinden uns wieder in einem Wettbewerb der Systeme. In den Konflikten unserer Zeit werden westliche Demokratien und westlicher Lebensstil herausgefordert.« Huber macht sich Gedanken darüber, wie das große Selbstbewusstsein der Deutschen aus den 80er-Jahren auf Deutschland im Jahr 2025 übertragen werden könnte. Damals war klar, »wir werden diesen Wettlauf der Systeme gewinnen«. Auch über diese Frage werde am 23. Februar entschieden.
Weil er bei den Unternehmern zu Gast war, durfte das Thema Wirtschaft und die entsprechenden Pläne der Union nicht fehlen, die Martin Huber nur stichwortartig anreißen konnte. Dazu gehört: "Wir wollen die Abwanderung energieintensiver Betriebe stoppen. Was über die CO2-Bepreisung an Geld hereinkommt, muss auch wieder zurückgegeben werden. Deswegen wollen wir die Stromsteuer senken und damit auch die Netzentgelte halbieren, das kommt dann allen zugute. Und wir planen die Senkung der Unternehmenssteuern auf 27 Prozent auf einbehaltenen Gewinne." (GEA)