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Bund der Steuerzahler listet größte Steuersünden auf

Im Schwarzbuch prangert der Bund der Steuerzahler Steuerverschwendung an. Im Fokus: Bürokratie

Der Bund der Steuerzahler kritisiert, dass in Hamburg eine öffentliche Toilette nur kurze Zeit in Betrieb war und für rund zwei
Der Bund der Steuerzahler kritisiert, dass in Hamburg eine öffentliche Toilette nur kurze Zeit in Betrieb war und für rund zwei Millionen Euro saniert wurde. FOTO: DPA
Der Bund der Steuerzahler kritisiert, dass in Hamburg eine öffentliche Toilette nur kurze Zeit in Betrieb war und für rund zwei Millionen Euro saniert wurde. FOTO: DPA

BERLIN. Eine verformte Bio-Brücke aus Flachsfasern, ein abbruchreifes Haus für 125.000 Euro oder der Beamte, der fünf Jahre im Homeoffice fürs Däumchendrehen entlohnt wurde – alles bezahlt aus Steuergeldern, verschwenderisch von den Behörden ausgegeben. Der Bund der Steuerzahler prangerte am Mittwoch bei der Vorstellung des 52. Schwarzbuch in Berlin wieder einige dieser skurrilen Fälle an.

Das Augenmerk liegt heuer auf einer komplizierten Beziehung – die Deutschen und die Bürokratie. Heikler Papierkrieg, endlose Wartezeiten und einschläfernde Verwaltungsakte bescheren den Ämtern ihren schlechten Ruf. Doch nicht nur das: Viele Ausgaben könnten verhindert werden, würden sich die Amtsträger an einen simplen Grundsatz halten, sagt der Verbandspräsident Reiner Holznagel: »Erst Denken, dann Handeln. Doch das scheint in vielen Amtsstuben fremd zu sein.«

Offenbar hat diesen Grundsatz auch das nordhessische Homberg, eine Kleinstadt zwischen Marburg und Kassel, missachtet. Die Verwaltung versuchte seit 2019 ein altes und marodes Haus im Ortsteil Wernswig zu kaufen. Das Gebäude sollte weg, ein verschönerter Ortskern her. Was zunächst einfach erschien – mit dem Land Hessen als Hausbesitzer – entwickelte sich zum verschwenderischen Desaster. Aufgrund mehrerer Belastungen im Grundbuch konnte das Haus nicht direkt an die Stadt verkauft werden. Eine Zwangsversteigerung im Jahr 2023 sollte die Einträge tilgen. Das unerwartete Problem: ein anderer Kaufinteressent. Dieser erhielt das Haus für 27.500 Euro. Die Gemeindeverwaltung durfte nur bis 20.000 Euro frei mitbieten, bei allem darüber musste die Stadtverordnetenversammlung zustimmen. Ein Glücksgriff für den neuen Eigentümer, nach einer Dachreparatur und Entrümplung verkaufte dieser das Gebäude wieder an die Stadt. Für einen Wucherpreis von 125.000 Euro.

Der Steuerzahlerbund kritisiert vermeidbare Doppelarbeiten und eine entbehrliche Machbarkeitsstudie für die Straßenbahnhaltestel
Der Steuerzahlerbund kritisiert vermeidbare Doppelarbeiten und eine entbehrliche Machbarkeitsstudie für die Straßenbahnhaltestelle Bremer Domsheide. FOTO: DPA
Der Steuerzahlerbund kritisiert vermeidbare Doppelarbeiten und eine entbehrliche Machbarkeitsstudie für die Straßenbahnhaltestelle Bremer Domsheide. FOTO: DPA

Der Bund der Steuerzahler versteht sich laut eigenen Angaben seit über 70 Jahren als das »Finanzgewissen der Bundesrepublik«. Dieses Finanzgewissen meldet sich insbesondere bei dem Beamten, der fünf Jahre lang im Homeoffice saß. Ohne Aufträge, dafür mit Bezahlung. Kosten für den Steuerzahler: rund 600.000 Euro. Wie konnte das passieren? Als die beiden Gemeinden Betzdorf und Gebhardshain in Rheinland-Pfalz 2017 zu einer Verwaltungsgemeinschaft fusionierten, wurde der Betzdorfer Bauamtsleiter als neuer Projektkoordinator berufen. Da es jedoch keine Aufgaben gab, schickte ihn das Rathaus bis 2022 ins Homeoffice. Aufgeflogen ist dieser fragwürdige Luxus erst 2023, als die Staatsanwaltschaft Koblenz wegen des Verdachts auf Untreue gegen den Bürgermeister ermittelte.

Ein weiterer Fall im baden-württembergischen Ulm sorgte ebenfalls für Argwohn. So hatte es die Stadt zwar gut gemeint, als sie eine Fußgängerbrücke über die Kleine Blau nachhaltig und mit natürlichen Materialien bauen wollte – blöd nur, dass beim ersten Versuch mit Flachsfasern und Bioharz etwas beim Aushärtungsprozess schiefging. Denn die Brücke verformte sich. Die zweite Produktion passte, trieb die Netto-Kosten jedoch auf etwa 730.000 Euro statt veranschlagten 330.000 Euro hoch. Eine konventionelle Brücke aus Stahl und Holz hätte die Stadt rund 350.000 Euro gekostet.

Reiner Holznagel, Präsident vom Bund der Steuerzahler Deutschland (BdSt), präsentiert in Berlin das Schwarzbuch "Die öffentliche
Reiner Holznagel, Präsident vom Bund der Steuerzahler Deutschland (BdSt), präsentiert in Berlin das Schwarzbuch »Die öffentliche Verschwendung 2023/24«. FOTO: KOCAK/DPA
Reiner Holznagel, Präsident vom Bund der Steuerzahler Deutschland (BdSt), präsentiert in Berlin das Schwarzbuch »Die öffentliche Verschwendung 2023/24«. FOTO: KOCAK/DPA

Zum dritten Mal seit 2009 hat es der Augsburg Bahnhofstunnel in die Riege der Steuerverschwender geschafft, ein »Dauerbrenner in den Schwarzbüchern«. Der 220 Meter lange und 16 Meter breite Straßenbahntunnel, dessen Fertigstellung ursprünglich 2019 angedacht war, wird wohl mehr als 300 Millionen Euro schlucken. Derweil schätzte man 2006 die Investitionen auf 70 Millionen, jedoch explodierten die Kosten aus verschiedenen Gründen über die Jahre hinweg.

Alles Steuergeldverschwendungen, die ein reflektiertes Handeln in Holznagels Augen hätte verhindern können: »Behörden verstecken sich oftmals hinter der Bürokratie. Weil es leichter ist, alle Regeln und Vorschriften einzuhalten, obwohl sie zu Unnütz führen.« Was den Verbandspräsidenten besonders ärgert: »Wir regen uns über 1000-Euro-Prämien für Langzeitarbeitslose auf und ignorieren dabei, dass dieser Staat ein digitales Entwicklungsland ist.« Eine systematische Digitalisierung und eine gesetzliche Bürokratiebremse könnten die Konjunktur ankurbeln. (GEA)